Zurück zu bedienten Bahnschalter im Rafzerfeld – über den Service public

Referat zur Anhörung zur Vorlage 5151 vor der kantonsrätlichen Kommission für Verkehr, Energie und Umwelt, 23. Juni 2015

Herzliche Dank dafür, dass ich zum Postulat «Tote Bahnhöfe im Rafzerfeld – Gerechtigkeit im ZVV» Stellung nehmen darf. Diese Vorlage geht auf ein «überparteiliches» Postulat zurück, welches Susanne Rihs (Grüne), Peter Reinhard (EVP) zusammen mit mir als Erstunterzeichner eingereicht haben.

Das Postulat hat zwei Teile, die schon aus dem Titel hervorgingen. Zum einen wünschten wir mindestens einen bediente Bahnhof – das heisst, ein Schalter mit Ticketverkauf – entweder in Rafz, Hüntwangen-Wil, Eglisau oder Glattfelden. Zum anderen die Gerechtigkeit im ZVV – letztere Forderung ist vor allem in der Begründung des Postulates enthalten, die in der Vorlage 5151 nicht mehr wiedergegeben wird. Die Ausführungen der Regierung haben sich auf die Fragen rund um das Vertriebsnetz konzentriert.

Ich nehme zuerst dazu Stellung – dann aber, als Zweites, zur Gerechtigkeit im ZVV.

Ein bedienter Bahnschalter hat folgende Nutzen:

  • Bei komplizierten Tickets ist die «Face-to-face-Beratung» die angenehmste und einfachste Methode: Meistens hat man am Schluss genau das Ticket, dass man braucht. Ein anderer Mensch kann sich mehr für eine passende Lösung einsetzen, als dies einem Automaten möglich ist.
    Was ein «kompliziertes Ticket» ist individuell verschieden: Für mich selbst zum Beispiel ist das Lösen eines Kollektivbilletes mit mehreren Varianten, die gegeneinander abgewogen werden müssen, wechselnder Gruppengrösse, Reservationen und knappen Umsteigezeiten, wie das für ein Klassenlager ab und zu nötig ist, kompliziert, für eine ältere Person, die mit der Technik der Ticketautomaten vielleicht nicht mehr so bewandert ist und das auch nicht mehr lernen mag und kann, ist es bereits das Lösen eines einfachen Tickets.
  • Gepäckaufgabe / Fahrradaufgabe
  • Sicherheitsgefühl

Der Nutzen von bedienten Bahnhöfen ist anerkannt. Deshalb schreibt die Regierung ja auch auf Seite 6 der Vorlage, dass 90% der Bevölkerung zu Fuss oder mit dem ÖV innerhalb von 20 Minuten eine bediente Verkaufsstelle erreichen können sollten.

Diese 20 Minuten sind in den Gemeinden Rafz, Wil, Hüntwangen, Wasterkingen, Eglisau und Glattfelden (zusammen 17’000 Einwohnerinnen und Einwohner) seit der Schliessung der Bahnhöfe nicht eingehalten, selbst mit dem Auto dauert es länger, solange die Eglisau-Umfahrung noch nicht besteht.

Die Regierung beschreibt in der Vorlage, wie sich das Kundenverhalten betreffend der Benutzung der Vertriebskanäle geändert hat. Dazu muss man bemerken, dass diese Veränderung nicht nur natürlich erfolgte. Eine Schalterschliessung ist nicht nur Reaktion, sondern auch Ursache der Hinwendung zu neuen Vertriebskanälen.

Im Rafzerfeld spielte dabei die Reihenfolge der Schalterschliessung eine Rolle: Zuerst wurde Hüntwangen-Wil, der am zentral gelegenste Schalter geschlossen. So gingen einige der Hüntwanger, Wilemer und Wasterkinger an den Schalter auf Eglisau und der Automat gewann an Bedeutung. Dann wurde zuerst Eglisau geschlossen. Das war ein Fehler: Eglisau liegt in Reiserichtung Zürich: Eher geht ein Rafzer an den Schalter Eglisau, als ein Eglisauer an den Schalter Rafz. Zum Schluss wurde dann der Schalter Rafz geschlossen: Trotz 2400 Unterschriften, die in kürzester Zeit dagegen gesammelt werden konnten. Hätte man zuerst den Schalter Rafz geschlossen, hätte dies in Eglisau die Frequenz erhöht – nicht aber umgekehrt.

Der Telefonverkauf wird in den Ausführungen der Regierung ja ziemlich gelobt: Für die Kunden ist gerade die rund um die Uhr verfügbare SBB-Nummer aber ziemlich teuer: Ein Kollektivbillet, wie ich es geschildert habe, zu bestellen, benötigt etwa 20 bis 30 Minuten mit der Beratung der Varianten, die Minuten ist CHF 1.19.
Heute ist der Bahnhof Eglisau von einer privaten Firma genutzt – ohne Ticketverkauf. In Rafz und auch im zentral gelegenen Hüntwangen-Wil besteht oder entsteht ein Busknotenpunkt und stehen die Büroräumlichkeiten nach wie vor zur Verfügung. Auch wenn man zum Beispiel ein zeitlich eingeschränktes Angebot wieder installieren würde.

Ich habe vor dieser Anhörung mit den Verkehrsvorständen der Rafzerfelder Gemeinden Rücksprache genommen. Zeitlich eingeschränkte Öffungszeiten werden als Gewinn gegenüber heute betrachtet – eine andere Variante, die geäussert worden ist – allerdings nicht ganz mit dem gleichen Nutzen – ist, dass der Ticketverkauf auch in den Dorfzentren ermöglicht würde. Unsere Bahnhöfe sind peripher, bis zu drei Kilometer ausserhalb des Dorfes gelegen, die Umsteigezeiten vom Bus in den Zug erlauben keine vernünftige Automatenbedienung am Bahnhof – aber auch nicht ein Schalterbesuch. Ein Ticketverkauf im Zentrum, zum Beispiel bei der Post in Rafz – oder auch nur ein moderner Automat – würde hier ein wenig Abhilfe schaffen. Es würde mich sehr freuen, wenn die Kommission das als Wille gegenüber der Regierung zum Ausdruck bringen würde.

Eine solche Lösung wäre auch ein Zeichen, das Randregionen nicht als «unwichtig» behandelt werden: Neben den 20 Minuten bis zum nächsten bedienten Schalter, die bei uns nicht gegeben sind, wurden 2011 fünf Züge aus dem Rafzerfeld nach Zürich und zurück gestrichen, im Dezember 2015 folgen weitere vier – wir erhalten zwar den Halbstundentakt mit den Busverbindungen, verlieren aber Busanschlüsse in die Dörfer auf die letzten Verbindungen von Zürich, auch am Wochenende. Die Gemeinden haben dazu in der Vernehmlassung zum neuen Verbundsfahrplan Stellung genommen.

Nun noch zur Gerechtigkeit. Die Regierung verweist im Text zu 5151 auf die Anfrage 331/2008 welche die Leistungsvereinbarung des ZVV mit der SBB thematisiert. Alle Gemeinden zahlen Beiträge an den ZVV, gemäss der Anzahl Abfahrten ab den Haltestellen auf ihrem Gebiet. Die Verordnung über die Gemeindebeiträge an den ZVV regelt dies. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Haltestellen bedient sind oder nicht.

Nun unterhält der ZVV mit der SBB eine Leistungsvereinbarung, mit welcher die Bahnhöfe in drei Netze eingeteilt werden, A, B und C-Bahnhöfe.

A-Bahnhöfe müssen offen bleiben und Bedienart und Öffnungszeiten dürfen nur im Einvernehmen mit dem ZVV geändert werden, es sind über 40 Stationen, darunter beispielsweise Bauma oder Turbenthal, Bassersdorf, Schwerzenbach, Dietlikon, Bostetten-Wettswil.

Bahnhöfe aus dem Netz B können ebenfalls nur im Einvernehmen mit dem ZVV ihre Bedienart ändern, die SBB kann aber private Stationshalter, Ticketverkauf im Avec-Lädeli oder auch andere Öffnungszeiten vorsehen. Zum Beispiel in Wald, Oberrieden, Wila, Hedingen, Seuzach, Erlenbach. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die SBB die Bedingungen für private Stationshalter durch die Senkung der Verkaufsprovisionen auf den Ticketgebühren massiv erschwert hat (www.ig-stationshalter.ch).

Bei Bahnhöfe im Netz C kann die SBB die Schalter autonom schliessen, sie muss den ZVV lediglich informieren. Die Bahnhöfe Rafz, Hüntwangen-Wil, Eglisau und Glattfelden gehören alle zum Netz C, obwohl, wie gesagt, die Bevölkerung dieser Gemeinden länger als 20 Minuten zum nächsten bedienten Schalter reisen muss.

Wenn diese Gemeinden nicht von der Leistungsvereinbarung des ZVV mit der SBB profitieren, warum passt sich dann nicht wenigstens der Beitrag an, welcher sie dem ZVV bezahlen müssen?

Geehrte Kommissionsmitglieder – Sie haben gesehen, dass bediente Verkaufsstellen einen höheren Service bieten. Ein Abbau des Service Public, ohne gleichzeitige Reduktion der Kosten ist eine Form von Verteuerung.

Und es ist ungerecht, dass der Rafzerfelder Steuerzahler an die Offenhaltung eines Bahnschalters in Bauma oder Turbenthal bezahlt – gleichzeitig aber sein eigener Schalter geschlossen wird. Da muss meiner Meinung nach die Verordnung über die Gemeindebeiträge an den ZVV angepasst werden.

Auch da wäre ich froh, wenn die Kommission der Regierung eine deutliche Willensbekundung mit auf den Weg geben würde.

Herzliche Dank!
Nachträge:

Die Regierung hat mündlich argumentiert, die erwähnte Leistungsvereinbarung mit dem ZVV sei ausgelaufen, eine neue sei in Verhandlungen. Die Kommission muss sehr gut beachten, inwiefern bei diesen neuen Verhandlungen Steuergelder für das Ziel «90% der Bevölkerung sind zu Fuss oder mit ÖV in weniger als 20 Minuten bei einem bedienten Schalter» ausgegeben werden.

Die Regierung hat darauf verwiesen, dass auch Bahnhöfe mit höheren Einsteigezahlen als sie in Hüntwangen-Wil, Rafz, Eglisau und Glattfelden erreicht wurden, geschlossen wurden (z.B. Marthalen, Ossingen). Sie erkennt dann eine Ungerechtigkeit, wenn ein Rafzerfelder Bahnhofschalter diesen gegenüber wieder betrieben würde. Das Postulat fordert aber etwas anderes: Einen Schalter pro Region. Die Region hat zur Zeit 17’000 Einwohner – insgesamt sicher mehr Einsteigerzahlen als z.B. in Ossingen. Auf das Argument der regionalen Betrachtung ist die Regierung nicht eingestiegen.