Editorial – Hüntwager infos – Wind und Jagd

Liebe Einwohnerinnen und Einwohner

Der Bär wurde im schweizerischen Mitteland vor 500 Jahren ausgerottet und der Wolf vor 300 Jahren. Sie können deshalb im Wald arbeiten, spazieren, biken, joggen, Pilze sammeln oder bräteln, ohne sich Gedanken zu machen, welches Verhalten bei Begegnungen mit Raubtieren überlebenswichtig ist. Der Hüntwanger Flurname Wolfhag verrät, dass dies nicht immer so war.

Dafür fehlen Raubtiere als natürliche Feinde von Reh, Hirsch und Wildschwein, die sich ungehindert vermehren könnten und an Waldbäumen und landwirtschaftlichen Kulturen Schäden anrichten. Daher muss der Mensch, der einst in das Gleichgewicht zwischen Raubtieren und Beute eingegriffen hat, den Wildbestand regeln. 33 Prozent unserer Gemeindefläche (1.64 km2) sind Wald und dennoch kostet das der Gemeinde keinen Franken, im Gegenteil: Vier Mitglieder der Jagdgesellschaft Hüntwangen wenden gemeinsam jährlich rund 1‘600 Mannstunden dafür auf (entspricht einer vollen Stelle), und bezahlen obendrein eine Revierpacht. Rund um die Uhr ist mindestens eines von ihnen auf Pikett, um bei Verkehrsunfällen mit Wildtieren oder bei kranken Wildtieren auszurücken. Die Vier kommen gegenüber Landwirten anteilsmässig für Wildtierschäden auf. Damit die Wildtierbestände im Gleichgewicht bleiben, müssen sie jedes Jahr eine vom Kanton festgelegte Anzahl Rehe entnehmen (= Summe aus Jagd, Unfalltieren, Hunderissen, sonst verendeten Tieren). Auch Wildschweine, Sikahirsche, Füchse und ab und zu ein Dachs werden bejagt. Dabei sind viele Vorschriften zu beachten, beispielsweise unterschiedliche Schonzeiten oder der Schutz der Muttertiere während der Aufzuchtzeit. Um das zu können, legen Jäger eine Prüfung ab und erfüllen ein jährlich wiederkehrendes Schiessprogramm, unterhalten benötigte Infrastruktur wie Hochsitze und die Jagdhütte. Der Lohn: Intensives erleben der Natur, unvergessliche Augenblicke und das Wildbret.

Dass eine Passion eine wichtige Aufgabe für die Gemeinde unentgeltlich erfüllt, ist vorbildlich! Feuerwehr, Neophyten jäten, Vogel- und Naturschutzaufgaben, die Pflege von Wanderwegen und Feuerstellen oder Amphitheater, Nachbarschaftshilfe: Es gibt so vieles, wofür die Allgemeinheit Einzelnen engagierten Menschen danken muss. Danke!

Oft wird der Gemeinderat aber mit dem Gegenteil konfrontiert: Mit Forderungen nach Geld oder zu öffentlichen Aufgaben. Beispielsweise der Wunsch, einen Pumptrack mitzufinanzieren, einen Ersatzspielplatz während der Bauzeit Türmliwiese aufzustellen, eine Lärmschutzwand auf Gemeindekosten zu errichten, Sponsoring für dies und jenes, oder dass bitte der Sammelpunkt für die Müllabfuhr nicht neben das eigene Haus zu liegen kommt, oder die Strassenbeleuchtung nicht installiert wird. Ich frage mich bei solchen Reklamationen immer: Ist es berechtigt oder eine Extrawurst, angesichts der Tatsache, dass viele anderen Menschen ihre Freizeit selbst finanzieren und die Erledigung öffentlicher Aufgaben mittragen? Extrawürste haben beim Gemeinderat glücklicherweise einen schweren Stand.

Somit ist ein positives Kriterium bei Unterstützungsanfragen, wenn, wer fordert auch selbst leistet: Nicht nur das Hobby selbst ausübt, sondern Stunden und Mittel einsetzt, damit die Allgemeinheit davon profitiert. Zum Beispiel dank Jugendförderung. Auch Vereinsbeiträge sind so konzipiert (je mehr Hüntwanger Miglieder und je mehr Jugendförderung, desto höher der Beitrag).

Zum Wald gehören die höchstgelegenen Stellen unserer Gemeindefläche. Dort soll, ginge es nach der kantonalen Baudirektion, ein Gebiet für Windenergieanlagen im Richtplan eingetragen werden. 220 Meter hoch werden die Windräder, höher als die Differenz zwischen dem höchsten und tiefsten Geländepunkt der Gemeinde, sie werden die Sicht auf Hüntwangen dominieren. Daniel Spühler legt dazu Überlegungen des Gemeinderats dar und Sie können selbst bis Ende Oktober beim Kanton Stellung nehmen. Tun Sie das.

Foto: Rote Söckli – Windenergieanlage oberhalb Saint Brais. Mit 78 Meter Nabenhöhe nicht einmal halb so hoch wie die in Wasterkingen und Hüntwangen Geplante.

Nun wünsche ich Ihnen einen farbenfrohen und sonnigen Herbst!

Matthias Hauser, Gemeindepräsident
matthias.hauser@huentwangen.ch