Am 22. September steht die Abstimmung über die Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» bevor. Ich werde Nein stimmen und ich glaube auch, dass diese Initiative chancenlos bleiben wird, denn selbst in Kreisen der SP findet man kaum jemand, der bereit wäre, die Befürworter auf einem Podium zu vertreten. Dennoch sind grundlegende Gedanken über die Wehrpflicht angebracht:
Die Armee benötigen wir zum Schutz unserer Unversehrtheit und Selbstbestimmung, wenn die Bedrohung von Menschen ausgeht, die bereit sind, physische Gewalt anzuwenden. Diesen Schutz gewähren uns Kampftruppen: Sie sind der existentielle Kern der Armee. Alle anderen (Logistik, Genie u.a.) unterstützen sie.
Die Gefahr bewaffneter Bedrohung existiert nach wie vor.
Gesellschaftliche Entwicklung geht schnell und den Wert des Schutzes merkt man erst, wenn er weg ist (Machtvakuum lässt Bedrohungen entstehen, die heute fern sind). Dass der existentielle Kern der Armee, die Kampftruppen, durch sich überschlagende Reformen der letzten 20 Jahre ständig an Bedeutung verlor hat die Armee als Ganzes geschwächt.
Hinter eine Waffe gehört grundsätzlich jemand, der sie nicht gerne einsetzt, aber Weise genug ist dafür.
Kampftruppen bedingen die Wehrpflicht, weil sonst „kampfgeile“ junge Männer diese Aufgabe übernehmen. Eine Rambotruppe ist gefährlich. Hinter eine Waffe gehört grundsätzlich jemand, der sie nicht gerne einsetzt, aber trotzdem, wenn es die Weisheit erfordert, gut trainiert ist dafür. Ohne Wehrpflicht gibt es zu wenig vernünftige Soldaten. Denn trotz Abenteuer und der Kameradschaft: Kämpfen macht keinen Spass, schon gar nicht, wenn man in der gleichen Zeit das Studium schneller abschliessen oder sich mit Auslandaufenthalt und Weiterbildungen zivile Vorteile verschaffen könnte.
Der Zwang zur Uniform muss die Sicherheit des Landes erhöhen
Dank konstanter Reform während der letzten Generation waren Soldaten oft nicht genügend trainiert am richtigen Ort, Umteilungen, neue Doktrin, junge Vorgesetzte, fehlende Ressourcen (Material, Fahrzeuge). Das führte dazu, dass Dienstleistenden gegenüber Gleichaltrigen ohne Dienstpflicht nicht nur zivile Nachteile hatten, sondern darüber hinaus den Dienst unwirksam erlebten. Wehrpflicht – der Zwang zur Uniform – ist nur dann berechtigt, wenn sie die Sicherheit des Landes effektiv erhöht.
Eine besonders sinnlose Blüte waren die beiden Reservebrigaden („Kaderbrigaden“, werden voraussichtlich per 2015 abgeschafft). Mehrere Hundert erfahrene Kader (alle würden noch Dienst leisten, wenn es ihr Zivilleben zuliesse) werden in den Kurs oder an Rapporte der deutschschweizer Reservebrigade gezwungen (die Romands nehmen das etwas lockerer), weil ihre Dienstzeit noch nicht abgelaufen ist, weil der Stab das Anlegen des Kurses als interessante Übung betrachtet, weil der Brigadier etwas eifrig ist. Damit werden geistige Kompetenzen von früher erhalten, alte Kameradschaften gepflegt und „Mann“ fühlt sich wieder jung. Egal wie interessant sie ausfallen: Solche Kurse sind Zeit- und Geldverschwendung, wenn für die gepflegten Kader im Ernstfall weder Soldaten, noch Waffen, Material und Fahrzeuge bereit stehen. Pseudo-Einteilungen führen die Wehrpflicht ad absurdum. Unverständlich, dass sich eine solche Übung im nächsten September, just in der Woche vor der Abstimmung, wiederholt, statt dass diese Steuergelder für aktive Truppen verwendet werden.
Gerechtigkeit durch allgemeine Dienstpflicht – die Besten in die Armee
Für sinnvollen Dienst stehen Menschen gern zur Verfügung. Doch Absenzen sind am Arbeitplatz ein Wettbewerbsnachteil und ungesund für Familien, die fragiler sind als früher. Wären hingegen alle Bürger bis zum 40 Altersjahr dienstpflichtig, liessen sich mehr aktive Brigaden bilden, hätten zivil alle die gleichen Karten: Wirtschaft und Lebenspartner würde sich damit abfinden. Es wäre klar: Die Besten im Dienst sind dies auch zivil. Deshalb gehört die Wehrpflicht ausgebaut, nicht abgeschafft! Und die allgemeine Dienstpflicht eingeführt.
Neben der Armee gibt es viele Aufgaben, welche Dienstpflichtige übernehmen könnten, ohne Tarnanzüge: Bevölkerungsschutz (Feuerwehr, Katastrophenhilfe), Sozialarbeit, Pflege. Ein ausgebautes Milizsystem kann Mehrwert für die Gesellschaft schaffen, der die Ausfälle am Arbeitsplatz mehr als kompensiert und darüber hinaus unser Land durch gemeinsam getragene Verantwortung eint.
Matthias Hauser, Kantonsrat SVP