Leider nur knapp, mit 62 Stimmen, hat der Kantonsrat eine parlamentarische Initiative von mir zur Streichung des Schulprogramms aus dem Volksschulgesetz vorläufig unterstützt. Angeregt wurde die PI u.a. auch von den Kantonsräten Willy Germann (Lehrer, CVP) und Stefan Dollenmeier (Lehrer, EDU). Nachfolgend mein Votum zur Begrüdung.
Als wir im Rahmen der Diskussion um das neue Volksschulgesetzes diskutiert haben, ob Schulprogramme den Schulen gesetzlich vorzuschreiben seien, war es Absicht der Befürworterinnen und Befürworter, ein Führungsinstrument zu schaffen, welches die Lehrpersonen im Berufsalltag verpflichtet, die ja ebenfalls gesetzlich eingeführten Reformen umzusetzen. So haben einige Schulkonferenzen in den vergangenen Jahren als Schulprogramm die Agenda der Reformverwirklichung vereinbart. Inzwischen sind Schülerinnen und Schülerparlamente eingeführt, die Elternmitarbeit verwirklicht, Schulleitungen, Leitbilder, Betriebskonzepte und die gewünschten Schulstrukturen auf der Sekundarstufe etabliert. Zur Einführung der gesetzlich vorgeschriebenen Reformen braucht es das Schulprogramm nicht mehr. An sich, so meint man, sollten sich die Lehrkräfte nun endlich wieder, vor allem, vor dem Schulprogramm, dem Unterricht widmen, mit Leib und Seele.
Tut man einen Blick in die Schullandschaft, ist dem aber nicht so. Die Tatsache, dass das Schulleitungen per Gesetz für die pädagogische Entwicklung der Schule verantwortlich sind und diese Entwicklung eben in einem Schulprogramm festgeschrieben werden muss, an dem sich die Lehrkräfte zu orientieren haben, führt dazu, dass landauf landab gemeinsame pädagogische oder sogar methodische Absichten definiert werden, zum Beispiel „Kooperative Lernformen“, „Gewaltprävention“, und so weiter, die in längerfristige Ziele gegossen und in das Schulprogramm aufgenommen und Jahr für Jahr evaluiert werden. Es entstehen im Lehrerteam Qualitätssicherungsgruppen, welche sind den Aspekten des Schulprogramms annehmen, sogenannte Q-Gruppen, oder Arbeitsgruppen, die Mitarbeit der Lehrpersonen grundsätzlich, die Haltungen, die jemand einbringt, werden kontrolliert, Ziele festgelegt, Meilensteine definiert und das Erreichte jährlich präsentiert. Drei bis acht Arbeitsstunden pro Woche sind dem Schulprogramm gewidmet.
Die allermeisten Schulen haben sich ständig entwickelt, bereits bevor ein Schulprogramm und gemeinsame Entwicklung per Gesetz vorgeschrieben waren. Und zwar von Lehrpersonen getragen, die damit den Erfahrungen aus dem Alltag bedürfnisorientiert begegneten. Schulentwicklungs-Bedürfnisse wechseln rasch: Jemand unterrichtet ein neues Fach und installiert mit Kolleginnen und Kollegen einen Austausch über Didaktik und Material und gegenseitige Unterrichtsbesuche. In den Sek B – Klassen tauchen quer über mehrere Klassen Mobbing-Probleme auf: Die Sek-B-Lehrkräfte nehmen sich dem Problem gemeinsam an und beschliessen Massnahmen zusammen mit den Klassenräten. In der Pause werden immer wieder Raucherinnen und Raucher gesichtet – die ganze Schule lanciert Projekte zur Prävention und die Lehrkräfte koordinieren die Massnahmen in Disziplinarfällen mit Drogen. Man will endlich mehr Farbe in die Schulhaus-Korridore bringen, endlich wieder mal ein Theater klassenübergreifend aufführen, und so weiter: All das war so oft der Fall, ohne dass ein Schulprogramm gesetzlich vorgeschrieben war. Heute hat diese Vielfalt weniger Platz, weil die Schulen ihr Programm ein Jahr im Voraus beschliessen und dieses dann durch die Lehrkräfte im schulhausinternen Gleichschritt verwirklicht werden muss. Geht einer dabei im Passgang, wird er in der Mitarbeiterbeurteilung seine Rüge einfangen.
Mit dieser PI will ich erreichen, dass Schulentwicklung wieder bedürfnisgerecht, vom Alltag erfordert statt per Gesetz erzwungen, stattfindet. Dass die Ressourcen der Lehrkräfte folglich sinnvoll eingesetzt werden.
Die Tatsache, dass ein Instrument wie das Schulprogramm überhaupt im Gesetz festgeschrieben ist, zeugt von Misstrauen gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern. Der Kantonsrat scheint zu denken, ohne Gesetz würde in Schulen nicht zusammengearbeitet, fände keine Schulentwicklung statt, gäbe es keine gemeinsamen Projekte, keine gemeinsamen pädagogischen Anstrengungen und so weiter. Einige von ihnen hier im Saal denken, dass die Lehrkräfte vor dem neuen Volksschulgesetz faul waren und endlich Engagement erzwungen werden kann, und darauf wollen sie nicht verzichten.
Sie täuschen sich massiv. Das Engagement war bei den allermeisten immer riesig. Wir unterrichten aus Berufung. Bringen Leben die Schulhäuser, erziehen, geben den Jugendlichen Identifikationsmöglicheiten, erfinden, versuchen, agieren und so weiter und wo es besser geht und Sinn macht, tun wir es gemeinsam.
Aber natürlich nur, wenn noch Energie dazu vorhanden ist. Widmet man sich neben dem Unterricht, den Elterngesprächen, der Administration fünf Stunden in der Woche dem obligatorischen Schulprogramm, womöglich noch aus Angst, sonst in diesem Bereich ungenügend qualifiziert zu werden, fehlt die Energie vielleicht dort, wo sie der Schule aus dem Alltag heraus gerade gut tun würde. Wobei es in der Realität natürlich anders herum läuft. Auch mit gesetzlich vorgeschriebenem Schulprogramm kommt die andere, alltagsgesteuerte Entwicklungsarbeit noch dazu. Man kann sich nicht dagegen entscheiden zu optimieren und Probleme zu lösen – Deshalb diskutiert man im Volksschulamt Entlastungsmassnahmen. Die Überweisung dieser PI wäre klüger.