Es scheint auf den ersten Blick, als sei heute keine der grossen bürgerlichen Parteien für einen EU-Beitritt, doch der Schein trügt. In der nächsten Legislatur wird der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU zu den «institutionellen Fragen» vorlegen, seit Mai 2014 haben dazu bereits neun Verhandlungsrunden mit der EU stattgefunden. Die institutionellen Fragen betreffen vier Bereiche:
- Verfahren, mit welchen die bilateralen Verträge künftig angepasst werden;
- Wie die Anwendungen der bilateralen Verträge überwacht wird;
- Wie bilaterale Verträge auszulegen sind;
- Welche Instanzen bei Streitigkeiten entscheiden und welche Verfahren dann angewandt werden.
Der Zustand ohne solches Rahmenabkommen ist, dass sich die EU und die Schweiz immer wieder aufs Neue einigen müssen, wenn ein bilateraler Vertrag geändert wird (Anspassung) oder betreffend Auslegung unterschiedliche Ansichten bestehen. Die Schweizer Regierung hat bei solchen Verhandlungen immer im Hinterkopf, dass die Verträge unter Umständen zur Volksabstimmung gelangen. Und genau das ist gut so.
Ein Rahmenabkommen über dieses Vorgehen kann nur anstreben, wer bereit ist, die heutige Situation mit den Volksrechten in die Waagschale zu werfen, die Volksrechte allenfalls Preis zu geben, eben, das Verfahren bei Vertragsänderungen zu institutionalisieren. Fallen die Volksrechte, fällt der Hauptgrund gegen einen EU-Beitritt, nämlich die direktdemokratische Mitbestimmung. Und genau um das geht es in den nächsten vier Jahren: Wer heute, wie z.B. der FDP-Ständeratskandidat Ruedi Noser, sagt, er prüfe ein Rahmenabkommen und mache seine Haltung von der «Ausgewogenheit» abhängig, ist damit bereit, unsere Volksrechte in die Verhandlungen zu bringen. Die einzige grosse bürgerliche Partei, die bereits heute klar gegen das Rahmenabkommen mit der EU auftritt, ist die SVP. Entscheidungen darüber stehen in der nächsten Legislatur an. Deshalb sind die Wahlen vom 18. Oktober so wichtig.
Matthias Hauser