Am 2. September 2013 wurde im Zürcher Kantonsrat der Berufsauftrag für Lehrpersonen definitiv beschlossen. Damit ändert sich der Lehrerberuf erheblich. Hier mein Votum dazu:
Es ist unüblich, in der 2. Lesung nochmals das Wort zu ergreifen. Aber sie, liebe Kantonsrätinnen und Kantonsräte, stehen kurz davor, mit der folgenden Schlussabstimmung, den Lehrerberuf grundlegend zu verändern. Sie verlangen, dass Lehrpersonen künftig die Zeit für ihre Tätigkeiten ausserhalb des Unterrichts erfassen. Sie legen allumfassende Höchstarbeitszeiten als Richtlinien fest. Sie ermächtigen Schulleitungen, die Zeit für die Vor- und Nachbereitung einzelner Lektionen zu kürzen und mit anderen Aufgaben zu füllen, die wiederum sie damit definitiv als gleich wichtig wie den eigentlichen Unterricht betrachten.
Sie erhöhen mit all dem die Bürokratie im Lehrerberuf. Sie erhöhen die Kontrolle, die Steuerbarkeit der Lehrpersonen. Und damit reduzieren sie deren Freiheit.
Sie können dies wollen. Es gibt Gründe, dies gut zu finden. Sie können so die Schulqualität besser beeinflussen, denn diese ist ja von den Lehrpersonen abhängig, die sie enger an den Zügel nehmen.
Der Preis ist, dass Schulen mittelfristig auch Lehrerinnen und Lehrer erhalten, die gerne enger an den Zügeln gehen, statt selber Verantwortung tragen. Wer für Bürokraten Bedingungen schafft, wird Bürokraten ernten. Freigeister, wie die Kantonsräte und Sekundarlehrer Marcel Burlet, Christoph Ziegler, Priska Seiler oder auch wie ich einer bin, werden nach und nach aussterben, werden nur noch dort im Lehrberuf existieren, wo gute Schulpflegepräsidentinnen wie Frau Kantonsrätin Thomet oder gute Schulleiter wie Herr Kantonsrat Hunger Raum lassen dafür und kein Theater eröffnen, wenn die Zeit vernünftig verwendet statt kontrolliert wird. Und sie wissen alle in diesem Saal: Weder Schulleitungen noch Schulbehörden sind die Konstanten in Schulgemeinden, auch nicht die jährlich neuen Teilzeit-Lehrkräfte. Geprägt werden Schulen genau von den alten Freigeistern.
Dank dem neuen Berufsauftrag werden sie vermehrt mit Lehrpersonen zu tun bekommen, die trotz Pendenzen aufhören zu schaffen, wenn die Jahresarbeitszeit erfüllt ist, oder sie werden mit der Forderung nach bezahlten Überstunden konfrontiert. Denn neu erhalten Lehrkräfte den Lohn für eine Arbeitszeit und nicht mehr für die gehaltenen Lektionen. Diese Forderungen zu erheben ist auch der Grund, weshalb einige Lehrpersonen den Berufsauftrag unterstützen. Geld und Komfort geht vor Freiheit. Die Evolution zum Bürokrat hat in meiner Zunft leider schon begonnen.
Doch Sie haben jetzt noch die Wahl. Überlegen Sie gut, welche Art von Persönlichkeiten sie ihre Kinder erziehen lassen wollen.
Ich jedenfalls will nicht, dass wir eine Gesellschaft von Bürokraten werden. Ich schicke meine Kinder lieber zu einem Original statt zu einem Zeiterfasser. Lieber zu einem Freigeist, statt zu einem Bürokraten. Denn auch sie sollen freie Geister werden. Deshalb lehne ich die Änderung des Lehrpersonalgesetzes ab. Folgen Sie mir.
Matthias Hauser