Heute besteht an musikalischer Bildung im Kanton Zürich kein Mangel: Musikschulen, Vereine und auch Private bieten eine Vielfalt an Instrumenten, die man lernen kann. Trotzdem debattierte der Kantonsrat am Montag, 21. Oktober, während der gesamten Sitzungszeit über ein neues Musikschulgesetz.
Musikschulgesetz (Geschäft im Kantonsrat)
Im Zürcher Volksschulgesetz ist vorgeschrieben, dass es eine Ausbildung an Musikschulen geben muss. In der Musikschulverordnung steht darüber hinaus, dass Gemeinden und Kanton Beiträge an die Musikschulen leisten, dass Gemeinden in den Trägerschaften der Musikschulen vertreten sein müssen, und dass Elternbeiträge 50 Prozent der Kosten nicht überschreiten dürfen. Damit funktioniert die musikalische Ausbildung im Kanton Zürich wunderbar.
2012 wanderte nach einer Volksabstimmung musikalische Bildung in die Bundesverfassung: «Bund und Kantone fördern die musikalische Bildung». Dies erfüllt der Kanton Zürich bereits, darum war fast niemand dagegen. Doch in der Folge, 2016, nahmen National- und Ständerat einen neuen Artikel ins Bundesgesetz über die Kulturförderung auf: Musikschultarife müssen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern berücksichtigen. Zwar ein Sozialismusartikel (Unterschiedliche Kaufkraft der Nachfrage wird durch unterschiedliche Tarife einer öffentlichen Leistung egalisiert), dennoch keine grosse Sache, dachten auch bürgerliche National- und Ständeräte, sonst wäre der Artikel ja nicht durchgekommen.
Schade. Denn zur wirtschaftlichen Situation der Eltern steht im kantonalen Recht noch nichts. Und der Verband der Musiklehrpersonen machte Druck für kantonale Anstellungsbedingungen. Der Verband Zürcher Musikschulen fordert günstigere Elternbeiträge. Flucht nach vorne: Die Bildungsdirektion schlug ein Musikschulgesetz vor, das eine staatliche Anerkennung vorsieht. Nur anerkannte Musikschulen erhalten künftig Beiträge. Weil aber der heutige Zustand gut ist und die damalige bürgerliche Mehrheit keine neuen Ausgaben wollte, trat der Kantonsrat 2016 nicht darauf ein.
Darum starteten Musikschulen und Musiklehrpersonen eine Volksinitiative. Diese geht weit (20% Staatsbeitrag, max. 40% Elternbeitrag, Anerkennung Musikschulen, Anstellungsbedingungen in kantonaler Verordnung) und hat gute Chancen. Nun kommt der Kantonsrat um einen Gegenvorschlag nicht herum. Dieser enthält nach der morgenlangen Bereinigung am letzten Montag:
- 10 Prozent Staatsbeitrag (ca. 7 Mio. CHF mehr als heute)
- max. 50 Prozent Elternbeitrag (wie heute)
- Anerkennung von Musikschulen als Voraussetzung
- Kriterien für die Anerkennung (Begabtenförderung, Schulleitung, Kanton überprüft Qualitätskriterien, öffentliche Auftritte, u.a.)
Betreffend Beitragshöhe ist die linke Ratsseite nicht zufrieden. Auch nicht, dass es den Bürgerlichen mit Unterstützung einiger Grünen gelang, das obligatorische Hochschuldiplom der Lehrpersonen (bisher war ein normales Diplom Voraussetzung) zu kippen: Mit Bestimmtheit wird in der zweiten Lesung wieder heftig debattiert.
Abgesehen von Details ist einfach traurig, dass wir eine gut funktionierende Sache durch ein Zusammenspiel von Bundesverfassung, einem Bundesgesetzesartikel, Verbänden, der Bildungsdirektion und Mittelinks völlig ohne Not unter die Fittiche des Staates zerren, mehr Steuergelder dafür benötigen und Privaten das Leben erschweren.
Ein Beispiel privater Musikausbildung: Instrumentor
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