Die Zunft zum Weggen veranstaltete verdankenswerterweise den jährlichen interzoiftigen Sternritt der Zürcher Zünfte (jenen mit Reitergruppe) auf der Reitanlage Gentner in Hüntwangen.
So wurde unser schönes Dorf am 17. September 2016 von rund 350 Zoiftigen heimgesucht – die hoffentlich alle den guten Ruf unseres Rafzerfeldes in ihrer schönen Stadt Zürich verbreiten helfen. Es war mir eine Ehre, die Gäste willkommen zu heissen.
(Die Begrüssungsrede wurde in Mundart gehalten – zur besseren Lesbarkeit hier in Schriftsprache – und natürlich weicht die gesprochene Version da und dort etwas vom Text ab…)
Sehr geehrte Damen
Hochgeachteter Herr Zunftmeister Christian Städeli
Hochgeachteter Herr Reiterchef Michael Wehrli
Weitere Zunftmeister
Hochgeachtete Herren Ehrenzunftmeister – falls es solche unter Ihnen hat
Herren Ehrenzünfter, Gäste, Zünfter, Veteranen, Gsellen, Jungzünfter und …. Gemeindepräsident von Wasterkingen
Liebe Musik – ihr spielt schön – aber laut
Ein Pferd, das dreijährig gewesen ist, entpricht 1.10 Grossvieheinheiten (GVE). Es freut mich – es zeugt ein bisschen von Ihrem Mut – dass Sie mir heute derart viele Grossvieheinheiten (GVE), freiwillig, gratis und franko vor die Haustüre liefern. Einmal im Jahr reiten Sie mit diesen GVE um das Feuer, das Fleisch ist also schon vorgeräuchert. Ein solche Hauslieferung erlebe auch ich als Widderzoifter (Zunft der Metzger), die keine Reitergruppe haben – nicht jeden Tag.
Ein herzliches Willkomm deshalb in Hüntwangen – Ihnen und ganz besonders Ihren Pferden.
Böse Zungen behaupten, indem in Hüntwangen der Steuerzahler ein Teil des heutigen Apéros finanziert hat, habe sich der Gemeindepräsident an diesem ehrwürdigen Anlass Redezeit gekauft.
Das stimmt.
Ich geniesse es, dass das berüchtigte Wähenmahl der Zunft zum Weggen – heute gibt’s ja Wähen weil aus Spargründen seien der Sternritt mit dem Wähenmahl heuer zusammengelegt – ich geniesse es, dass Ihr Wähenmahl hier in Hüntwangen – ich würde meinen, eine Art in der Zunftstube, wo ich Meister bin – stattfindet und Sie darum zuhören müssen, wenn ich von diesem schönen Ort berichte. Ihr Besuch ist uns aus Hüntwangen eine grosse Ehre.
Dass Sie heute diese wunderbare Gegend mit den wunderbaren Weinen geniessen können – ein Hüntwanger zum Apéro und ein fast so wunderbarer Wiler zu den Wähen – ich hoffe, Sie hatten viel Apéro – das ist Ihren Ururururururururur-Grossväter des Zürcher Bürgertums zu verdanken. Diese haben uns 1651 vereinfacht gesagt aus der Konkursmasse des Grafen Johann Ludwig von Sulz gekauft. Nur darum sind wir hier im Rafzerfeld überhaupt in der Schweiz, worüber wir froh sind. Ich glaube, da kann man auch von unserer Seite einmal Danke sagen.
Von dieser Tatsache haben aber nicht nur wir profitiert, nein, die Stadt und später der Kanton sind durch diesen alten Handel zu einem besonderen Juwel gekommen.
Sie haben es heute Morgen beim Ausritt festgestellt – sofern Sie es nicht so gemacht haben, wie mir ein Weggenzünfter zum Voraus prophezeit hat: Die Meisten fahren mit dem Anhänger vor, laden das Pferd aus, reiten einmal um den Platz und gehen dann zum Apéro – Falls Sie ein bisschen ausgiebiger unterwegs waren, haben Sie eine einmalige Landschaft gesehen. Dank dem weiten Horizont in dieser grössten Ebene des Kantons – stellen Sie sich überall goldenes Korn und fleissige Bauern vor – das ist das, was damals verkauft wurde.
Falls Sie weiter als um den Platz herum ausgeritten sind, haben Sie heute nicht mehr nur eine ebene Landschaft gesehen. Dafür den Kiesabbau. Die moderne und schöne Stadt Zürich, die Gotthard-Autobahn sind aus unseren Steinen gebaut. In vielen Gebäuden ist man von Hüntwanger Boden umgeben. Überall dort, wo die Wände und Mauern stabil sind, ist Hüntwangen drin.
Sie haben gesehen, dass der Kiesabbau nicht nur spannende und staubige kraterartige Mondlandschaften hinterlässt, sondern auch reizvolle Naturschutz-Ecken, Weiher, neues, aber nicht mehr ganz so gutes, Kulturland, Trockengebiet-Böschungen, weil das Wasser durch den Kies rasch versickert, in den grössten Grundwasser-See des Kantons. Dieser wiederum ist via Wasserversorgung Bülach auch an die Stadt Zürich angehängt. So trinken Sie heute Morgen Rafzerfelder Wein und am Abend, zu Hause, gegen den Kater, auch noch Hüntwanger Wasser.
Als Zürcher haben Sie deshalb in sich und um sich Rohstoffe aus meiner Gemeinde.
Die Landschaft ist reizvoll. Ja ideal zum Reiten. Doch wir gehen meistens nicht zu Pferd nach Zürich. Früher gingen viele noch eher nach Schaffhausen zur Arbeit, doch heute dominieren Zürich und seine Vororte. So sitzt man morgens in überfüllten Zügen oder im Stau. Zusammen mit Jenen übrigens, welche die Grafen von Sulz nicht verkauft haben.
Hüntwangen hat 1034 Einwohner, davon 119 Ausländer. Wir sind zirka 5 Quadratkilometer gross, rund 1.7 Quadratkilometer – ein Drittel – ist bewaldet. Der Wald gehört zu über 95% der politischen Gemeinde, ein Zürcher Rekordwert. Auch 1.7 Quadratkilometer – also ebenfalls eine Drittel – der Gemeindefläche, allerdings zumeist Privatland, sind bereits genutztes Kiesabbau- und Aushubdeponiegebiet. Der letzte Drittel des Gemeindegebietes ist Siedlungsgebiet, Kulturland und Gewässer. Stellen Sie sich Ihre Wohngemeinde vor, wenn ein Drittel der Gemeindefläche Kiesgrube wäre. Bei uns ist dies Realität – Hüntwangen hat die grösste Kiesgrube der Schweiz.
Und darin ein modernes Amphitheater, in welchem viel Kultur stattfindet, heute Abend zum Beispiel ein Oktoberfest.
Der Kiesabbau von früher hat der Gemeinde Eigenkapital gebracht. Gerade zur Zeit ist das leider nicht mehr so – Deshalb sind wir kantonsweit – noch – unter den besten 15 Gemeinden, wenn es um das Eigenkapital pro Kopf geht. Laut Finanzberater ist unsere Verwaltungsführung wirtschaftlich. Trotzdem und auch trotz dem Eigenkapital fehlen uns aber die grossen Steuerzahler. Beim Jahresdefizit pro Kopf sind wir deshalb tiefer als die Stadt Zürich. Insgesamt ergibt das ein finanzieller Sonderfall.
Anders gesagt: Nicht nur Sie mit Wasser und Kies, sondern auch wir selbst, leben von Hüntwanger Substanz.
Deshalb wären wir froh, liebe Zünfter und Zünftersfrauen, wenn jemand unter Ihnen Gewerbeland suchen würde – er kann es bei uns an bester Lage finden und einen vorteilhaften Baurechtsvertrag abschliessen. Noch besser: Gleich ein Haus bauen und zu uns ziehen. Ich sage es nochmals, es ist wunderschön hier!
Nun wissen Sie das Wichtigste. Wir sind stolz darauf, dass sie da sind!
Die Wähen sind, auch wenn es kein Fleisch darin hatte, «guet gsii». Ich freue mich auf die zweite Runde.
Sie reiten am Sechseläuten, während wir von der Zunft zum Widder auf eigenen Beinen gehen. Dafür müssen Sie offensichtlich Ihre Wähen zu Fuss fassen, während wir auf dem Widder einen Service vermögen!
Jetzt sind Sie begrüsst und ich habe geschlossen.