Der Kantonsrat will Lehrpersonen mehr heilpädagogische Aufgaben übertragen. Das Postulat 86/2017 wurde von allen Fraktionen überwiesen, mit Ausnahme der SVP/EDU. Meine ehemalige Mitkantonsrätin Anita Borer hat dazu Diskussion und Ablehnung beantragt. Ich durfte die Haltung der SVP vertreten.
Integrationschaos
Integration in der Volksschule bedeutet ein Durcheinander in manchen Klassenzimmern, von Schülerinnen und Schülern die unterschiedliche Nachteilsausgleiche haben: Jemand darf mehr Zeit für die Prüfung haben, jemand anders mit Kopfhörern arbeiten, jemandem Dritten müssen alle Texte, nicht nur an Prüfungen, auch vorgelesen werden, ein Vierter kann sich nur konzentrieren, wenn er alleine ist, beim Fünften zählt die Rechtschreibung nicht, der Sechste und die Siebte schreiben eine angepasste Prüfung mit weniger und leichteren Aufgaben, der Achte hat keinen Nachteilsausgleich, die Eltern sind jedoch mit einer ADHS-Abklärung nicht einverstanden, er nimmt kein Ritalin und erhält weder die Aufmerksamkeit noch die Bewegung, die er bräuchte, und die ganze Klasse gerät durcheinander. Nur kluge und selbstständige Kinder lernen und der Unterstützungsbedarf der Klasse erhöht sich wegen dieser Gesamtsituation.
Unterstützung im Schulzimmer
So ist es kein Wunder, dass Lehrerinnen und Lehrer froh sind, um Unterstützung. Unterstützung von Klassenassistenzen, von Seniorinnen und Senioren und eben auch durch Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, die sich wenigstens um Einzelne kümmern. Und die einen coolen Job haben: Für das integrative Chaos sind sie nämlich nicht verantwortlich – sie geraten in eine höhere Lohnklasse und dürfen sich von Berufes wegen auch auf nur ein Kind aufs Mal konzentrieren und dieses in einigen ausgewählten Lektionen während der Woche begleiten.
Es gibt ein Grund, weshalb trotzdem Heilpädagoginnen und Heilpädagogen fehlen: Für das, was man anschliessend tatsächlich tut, ist die Ausbildung mit dem Workload von rund 2700 Stunden zeitlich und finanziell aufwändig. Der Kapazitätsmangel führt zu einem unklar abgegrenzten Aufgabenkatalog. Dieser soll definiert werden, so verlangt es das Postulat – ein Pflästerli gegen die Fehlentwicklung.
Wichtig wäre, die Ursache anzupacken, und das bedeutet, die Integration gesamthaft aber auch in Einzelfällen kritischer zu würdigen.
Dem Fisch nicht Fliegen beibringen
Kinder, die heute in vielen Fächern, bestimmt überall dort, wo keine Heilpädagogin oder kein Heilpädagoge im Schulzimmer sitzt, einfach mitlaufen, oft mit Mühe, sich selbst als inkompetent oder Störefried wahrnehmen, wenn sie intelligent sind Frustrationen entwickeln und sonst naiv bleiben – solchen Kindern könnte man in einem angepassten Umfeld begegnen, einem, das ihnen Erfolgserlebnisse bietet. Separation bietet diese Vorteile. Keine Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, um Fischen das fliegen und Vögeln das Leben unter Wasser beizubringen, sondern um das Klassenzimmer in einen Himmel oder ein Aquarium zu verwandeln, je nach Kind. Keine Integrationsunterstützung, sondern Leben mit und trotz den erschwerten Voraussetzungen.
Separation der anspruchsvollen Fälle in Kleinklassen oder in Sonderschulen führte in Regelklassen und normalen Schulstunden zu freiwerdenden Ressourcen, die erlauben, dass mehr Kinder, leichtere Fälle, ADHS, erfolgreich ganz ohne Unterstützung einer Heilpädagogin oder eines Heilpädagogen, integriert werden könnten, durch alle Lehrpersonen. Beleg dafür ist die gegenteilige Entwicklung bei der Aufhebung der Kleinklassen vor rund fünfzehn Jahren im Kanton Zürich: Kinder aus Kleinklassen – nicht bereits mit Sonderschulstatus, dies kam erst später, aber doch mit sonderpädagogischen Status, wurden in Regelklassen integriert, mit Integrativer Förderung (IF). Weil dadurch die Belastung der Regelklassen stiegt, sank die Schwelle zum Sonderschulstatus. Wir haben nun mehr Integration innerhalb der Gemeinden, aber auch mehr Sonderschülerinnen und Sonderschüler – zum Teil integriert (ISR), zum Teil nicht.
Ein wenig Heilpädagogik für alle Lehrpersonen
Es ist schon lange eine Forderung der SVP, dass Lehrpersonen auch heilpädagogische Kompetenzen haben müssen, nicht als Wahl-Modul im letzten Semester an der pädagogischen Hochschule (wie man es heute belegen kann), auch nicht als CAS (anderes Postulat der Ratslinken), sondern standardisiert. Und natürlich nicht so weit gehende, wie die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen selber, denn diese, und nur diese, sollen sich um Sonderschülerinnen und Sonderschüler kümmern, und zwar separativ.
Es braucht eine Systemkorrektur.