Das gemeinsame Mittagessen in der Familie wird wohl bald verunmöglicht. Für die meisten Kantonsrätinnen und Kantonsräte reichen die heutigen Tagesstrukturen, die Mittagsbetreuung, welche jede Gemeinde anbieten muss, nicht. Sie fordern Tagesschulen – dort ist die Mittagsbetreuung obligatorisch. Am vergangenen Montag, 21. Juni, wurde eine erste Parlamentarische Initiative dazu überwiesen.
Die Initiative der FDP, Grünen, Mitte und GLP (Link) verlangt, dass jede Gemeinde den Bedarf an Tagesschulen regelmässig ermittelt und bei Bedarf Angebote zur Verfügung stellt. Falls eine Gemeinde keine Tagesschule anbietet, bewilligt sie zu ihren Lasten (der Steuerzahlenden) den Besuch einer Tagesschule in einer anderen Gemeinde, die auch abschliessend über sonderpädagogische Massnahmen beschliesst (und damit weitere Kosten verursachen kann).
Um das zu verstehen, muss man zuerst den Unterschied zwischen Tagesstrukturen und Tagesschulen begreifen. Tagesstrukturen, auch bekannt als Tageseltern, Mittagstisch, als Hort, beinhaltet eine betreute Mittagsverpflegung. Man kann dieses Angebot nutzen oder nicht. Damit ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich.
An einer Tagesschule findet im Unterschied dazu über Mittag obligatorische Erziehung statt. Kinder an einer Tagesschule verbringen die Mittagszeit in ihrer Lerngruppe, machen gemeinsam Hausaufgaben oder haben sogar Unterricht, Essen gemeinsam, lernen Tischsitten, übernehmen Ämtli, werden pädagogisch betreut. Ein Stück Erziehung des Elternhauses übernimmt der Staat. Das kann man gut finden: Doch wenn Eltern und ein Zuhause in dieser Zeit ein Mahl, Beziehung, Geborgenheit und eine Pause von der Gruppe bieten – ist es noch besser.
Was bleibt Ihnen nun, wenn, sie mit Ihrem Kind die Mittagszeit verbringen wollen und die Schule in Ihrem Quartier oder Ihrer Gemeinde zur Tagesschule wird? Nur Eines: Ihr Kind muss die Schule wechseln.
Mit dem Anliegen der (leider) überwiesenen parlamentarischen Initiative nun muss die Gemeinde allen Eltern, die wollen, einen Platz an einer Tagesschule bieten oder finanzieren. Zwei Möglichkeiten hat sie dazu: Entweder sie betreibt selber eine Tagesschule (in vielen Gemeinden/Quartieren gibt es aber nur eine Schule, die dann zur Tagesschule würde) oder sie finanziert für die betreffenden Kinder den Schulbesuch in einer anderen Gemeinde: Selber weniger Kinder haben (was zu weniger erlaubten Lehrpersonenstellen führt) und gleichzeitig einer anderen Schule dann pro Kind rund noch CHF 30’000 Schulgeld pro Jahr zu bezahlen (zuzüglich allfälliger sonderpädagogischer Massnahmen, über die man nicht selber bestimmen kann): Viele Schulgemeinden können sich das schlicht nicht leisten. Damit führt der Vorstoss der FDP, GLP, Grünen und der Mitte dazu, dass nur noch Tagesschulen bezahlbar sind. Für diese übrigens, dies will eine zweite Parlamentarische Initiative (Link), soll es sogar eine staatliche Anschubfinanzierung geben: Somit steht die unausweichliche elternfreie Mittagszeit landauf/landab vor der Tür.
Es gibt das Menschenrecht auf Bildung. Das ist wichtig. Es gibt das Recht auf freiwillige Mittagsbetreuung (Tagesstrukturen), damit Familie und Beruf vereinbar sind. Das kann man machen. Doch dass neu das Recht darauf bestehen soll, die Mittagsbetreuung so bestellen zu dürfen, dass in der Folge auch andere über Mittag nicht mehr nach Hause können? Ich weiss wirklich nicht, was daran so freiheitlich sein soll, dass dieser Trend ausgerechnet aus der Küche der FDP und GLP kommt.