Leserbrief zum Artikel „Die alte Forderung nach mehr Mitgestaltung der Studierenden“ NZZ, 14. August 2006, Seite 31
Gegen eine öffentlichrechtliche Körperschaft für die Studierenden der Universität Zürich spricht das Demokratiedefizit. Wer austritt, verliert die Mitbestimmung in der Unipolitik, beispielsweise das Wahlrecht für den Studierendenrat (StuRa). Zum Austreten gibt es aber gute Gründe: Erstens der Mitgliederbeitrag für die Körperschaft, welcher automatisch zu den Studiengebühren geschlagen werden soll. Heute nehmen 10 Prozent der Studierenden an der Unipolitik teil. 90% dürfte der Beitrag also ärgern. Zweitens wird der Vorstand und die Versammlungen der Körperschaft aktiv Politik betreiben und Haltungen kundtun, welche vielen Studierenden nicht passen. Wer sich durch Austritt abgrenzt, verliert sein Stimm- und Wahlrecht. Die unipolitischen Rechte der Studierenden dürften doch weder an Mitgliederbeiträge noch an eine Mitgliedschaft gebunden werden, sondern, wie heute, lediglich davon abhängen, ob jemand an der Universität Zürich studiert oder nicht.
Anständig ist es nicht, dass man von einer Körperschaft automatisch gebührenpflichtiges Mitglied ist und aktiv austreten muss. Normalerweise heisst Mitglied werden, sich aktiv anmelden. Der aktuelle Präsident des Studierendenrates, Gian Autenrieth, ist nicht der erste, der das Gewicht des Rats dadurch erhöhen möchte, dass er die Bequemlichkeit der Uni-Unpolitischen ausnutzt: Passive sollen künftig automatisch durch die Mehrheitsmeinung repräsentiert sein.
Insgesamt trifft der Begriff „Zwangskörperschaft“ den Sachverhalt rund um eine verfasste Studierendenschaft ziemlich genau.
Das Demokratiedefizit stellte ich in den Vordergrund, als ich mit der NZZ-Journalistin Natalie Avanzino (ava) im Vorfeld des Artikels „Die alte Forderung nach mehr Mitgestaltung der Studierenden“ NZZ, 14. August 2006, Seite 31, korrespondierte. Sie erwähnte es mit keinem Wort, trotz ausdrücklicher Bitte. Stattdessen kramte Avanzino, die früher selber eine aktive, linke Politikerin (Platz 1, Nationalratswahlen 2003, Liste SP – secon@s plus) und Studentin war, in einem Artikel von mir, der aus der Optik eines bürgerlichen Studierenden im Jahr 1996 für eine Parteizeitung geschrieben wurde nach einem Zitat und belegte damit den simplen Gedankengang der zitierten Grünen Fraktionspräsidentin, die Bürgerlichen seien gegen politisch aktive Studierende, weil diese eher Links stünden. Natürlich sind – als „Nebenargument“ – solche Befürchtungen nach wie vor berechtigt: Wer „nur“ studiert, statt uni-politisiert – sich eben „bürgerlich“ und auch der Exzellenz verpflichtet seiner Aufgabe widmet – würde instrumentalisiert. Eine Minderheit, wie sie der liberale Studentenring gegenüber dem linken VSU ist, kann sich heute Gehör verschaffen. Mit der Zwangskörperschaft soll die Opposition einfach eingebunden werden oder ihr Stimmrecht verlieren – und verstummen. Erstaunlich, dass diese Verarmung der Unipolitik im Artikel einer Journalistin der liberalen NZZ in wenig neutraler Weise ausgeblendet wird.