Aus der Kantonsratssitzung vom 2. Juni 2014:
Die SVP Fraktion lehnt den Beitritt des Kantons Zürich zum Sonderpädagogik-Konkordat aus zwei Gründen ab.
Der erste Grund ist das Konstrukt des Konkordates. Konkordate enthalten verbindliche Vorgaben, die, handelte es sich nicht um eine Absprache mit anderen Kantonen, vom Charakter her in kantonalen Gesetzen geregelt würden. In einem kantonalen Gesetz hätten wir, der Gesetzgeber, der Kantonsrat, die Bevölkerung die Macht, einzelne Bestimmungen zu ändern, herauszubrechen, sogar zur Abstimmung zu bringen. Wir müssten das Gesetz erlassen. Das ist ehrlich demokratisch. Bei Konkordaten hingegen handelt eine Direktion die Bestimmungen mit anderen Kantonen aus – der Gesetzgeber kann einmal, einmal „JA“ dazu sagen, anschliessend hat er das Gesamtpaket zu fressen und kann nie mehr gegen das Konkordat handeln. Er kann auch nicht einzelne Bestimmungen abändern. Heute sollten wir Ihnen dieses „Vogel-friss-oder-stirb-JA-Wort“ geben. Da sagen wir Nein und werden nicht sterben.
Jede Ebene im Föderalismus: Gemeinden, Kantone und Bund hat Kompetenzen. Jede dieser Ebenen hat eine Exekutive, Legislative und Judikative. Zweckverbände auf Gemeindeebene, Konkordate auf Kantonsebene und internationale Vereinbarungen auf Bundesebene: Ihnen allen haftet der beschriebene Demokratie-Nachteil an: Die Legislative kann nicht mehr voll Einfluss nehmen. Aus diesem Grund sollten solche Konstrukte nur im äussersten Notfall eingegangen werden. Und einen Notfall in der Sonderpädagogik haben wir nicht. Der Kanton Zürich kann sich sehr gut ohne Konkordat organisieren.
Unser zweite Grund ist pädagogischer Natur: Das Konkordat enthält bereits im zweiten Artikel die Weisung „integrative Lösungen sind separierenden Lösungen vorzuziehen“. Wenn möglich.
Meine Damen und Herren: Diese Mode der Integration, die hier zum Ziel des kantonalen Handelns erhoben wird, bekämpft die SVP schon lange. Schauen Sie: Erstens haben Evaluationen, wie zum Beispiel der innerdeutsche Pisa-Vergleich zwischen verschiedenen Bundesländern ergeben, dass in separierenden Schulsystemen, wo die Kinder möglichst in leistungshomogenen Klassen unterrichtet werden, die Schulleistungen von allen Kindern, auch die Leistung der schwächsten Kinder, höher ausfallen. Sogar der Vergleich der verschiedenen Sekundarstufen durch unsere eigene Bildungsevaluation legt den gleichen Schluss nahe. Zweitens gibt es eine logisch Erklärung dafür: Kinder orientieren sich, da sie soziale Wesen sind, an ihrem Umfeld, wie Sie und ich das übrigens auch tun. Man vergleicht sich untereinander, in der Klasse, man sucht Anerkennung in der Gruppe. Pädagoginnen und Pädagogen kennen den wichtigen Begriff der „Peer-Group“. Man macht sogar eher Hausaufgaben, wenn alle anderen in der Klasse das auch tun. Wenn also alle Kinder zur gleichen Zeit ungefähr das gleiche auf dem gleichen Niveau tun: Dann geht es besser. Solcher Unterricht entspricht dem sozialen Wesen Mensch.
Integration hingegen erfordert zwingend Individualisierung, d.h. jedes Kind arbeitet zur gleichen Zeit an etwas anderem, auf einem anderen Niveau, im gleichen Unterricht. Kinder, die im individualisierten Unterricht Erfolg haben wollen, benötigen einer ausserordentlich hohe Selbstkompetenz, sprich die Fähigkeit zur Selbstständigkeit und Selbstdisziplin. Das bringen die wenigsten Kinder mit. Mit Individualisierung wird eine Verhaltenskompetenz auch für das fachliche Lernen überproportional wichtig. Integration klappt deshalb nur, wenn sie eine glückliche Zusammensetzung der Lerngruppe habe – oder zeitintensiv-teuere Unterstützung durch Fachleute. Integration zum Leitsatz zu erheben, ist ein pädagogischer Fehler, dem die Schulen seit einigen Jahren unterliegen. Er wird nicht durch Studien gestützt, im Gegenteil, Praktiker setzen grosse Fragezeichen. Wir können diesem Grundsatz keinesfalls zustimmen.
Die SVP hat auch eine PI hängig, die den Gemeinden beim Integrativen Unterricht mehr Freiheit geben möchte. Wir würden unserer PI widersprechen, träten wir diesem Konkordat bei.
Summa summarum: Wegen dem Demokratiedefizit der Konkordate und weil wir den Grundsatz der Integration ablehnen, lehnen wir den Beitritt des Kantons zum Sonderpädagogik-Konkordat ab.