Im Zürcher Unterland gibt es nur noch ein freies Print-Medium – Der Wochenspiegel.
Als Jugendlicher überflog ich die vielen Inserätchen der damalige A5-Postille “Wochenspiegel“ nach Politik und Kuriosem und legte sie nach zwei Minuten weg. Als junger Erwachsener beargwöhnte ich die Gratiskonkurrenz auf dem Anzeigemarkt; als Korrespondent fühlte ich mich dem Neuen Bülacher Tagblatt verbunden. 2011 habe ich mein Abo beim NBT gekündigt und schreibe meinen ersten WOSPI Gastkommentar, das Vorwort sozusagen. WOSPI als Top meiner Schreib-Evolution. Weshalb?
Ganz einfach: Der WOSPI ist frei geblieben!
Von einer Zeitung erwarte ich News und Hintergründe über die Welt, die Schweiz, meine Heimatregion, meine Gemeinde. Das bietet der WOSPI nicht. Im Unterschied zu den Tageszeitungen stellt er aber auch nicht diesen Anspruch. Er bringt seit Jahren gratis Inserate ins Haus eingebettet in wenig «Infotainment» (Infos und entertainment). So war der WOSPI Vorbild fürs 20-Minuten.
Sind denn Zürcher Unterländer (ZU), NBT, Tagi und NZZ wirklich besser oder vor allem teurer?
Radio, TV und Internet berichten schneller. In den „News“ hören wir keinen Vergleich der Einkaufswagen-Modelle von Lebensmittelgeschäften. Im ZU/NBT war das immerhin eine Titelgeschichte. Allerdings würde mich ein ähnlicher Beitrag in den Abendnachrichten vom SF-DRS bald auch nicht mehr wundern.
„Echo der Zeit“ (Radio DRS), Weltwoche und andere Nachrichtenmagazine recherchieren besser. Parteizeitungen geben Standpunkte immerhin mit einer Tiefe wieder, in der sich die Mitglieder erkennen. Vor zehn Jahren hatte man mit NBT, ZU, Tagi und NZZ vier Standpunkte in den Händen. Nun erscheinen in dreien haargenau gleiche Artikel und die NZZ berichtet selten über die Region.
Im Verwaltungsrat vom NBT sitzen ZU-Leute. Im Verwaltungsrat vom ZU seit sieben Monaten Vertreter vom 20-Minuten und vom Landboten, bei beiden hat die TA-Media (Tagi) das Sagen. Vorher war die NZZ-Gruppe an der Landzeitung (ZU, Oberländer, Zürichsee-Zeitung) beteiligt. Nordostschweizer Gebietsbereinigung zwischen Zeitungsgiganten: Die CEO’s beteuern die Selbständigkeit der Redaktionen, doch in den Verwaltungsräten ist man verbandelt. Pro Region gibt’s nur noch einen Verlag. Monopole statt Wettbewerb.
Monopole müssen nicht durch eigene Positionen der Konkurrenz die Abonnenten abjagen. Sie vergrössern ihre Leserschaft statt dessen durch allgemeines Gefallen. Deshalb: Ja nicht provozieren (belanglos bleiben), oberflächliche Gedanken kann jeder nachvollziehen. Nur aus grossen Gemeinden berichten und ja nicht zuviel Politik, und wenn doch, dann “Mainstream-mitte-links“. Leserbriefe, Mitteilungen von Parteien und Berichte von Vereinsanlässen sind normiert. Korrespondenten an Vereinsanlässen? Es geht um Zahlen, nicht um Wertschätzung engagierter Lokalkultur. Auch solche Zeitungen sind in fünf Minuten gelesen.
Doch: Unsere direkte Demokratie lebt dank unterschiedlichen Meinungen. Dazu braucht es verschiedene Blickwinkel. Ein Medienkonzern alleine kann das nicht leisten. Deshalb sind Medienmonopole Gift für die Demokratie.
Und der WOSPI: Klein und frei konkurrenziert er auf dem Anzeigemarkt die Monopolblätter. Das macht ihn sympathisch. Weil er nichts anderes will, ist er glaubwürdig. Wer weiss: Wenn dadurch einige guten Schreiberlinge angelockt werden, rettet er vielleicht sogar die Demokratie.