Im Kantonsrat wurde am 31. März eine Parlamentarische Initiative überwiesen, die fordert, dass der Kantonsrat den Lehrplan der Volksschule im Kanton Zürich beschliessen muss – und zwar referendumsfähig: Es soll sogar eine Volksabstimmung über die Einführung des Lehrplans 21 möglich werden.
Viele haben im Kantonsrat schon erlebt, dass nicht nur einzelne Fächer Thema waren, sondern sogar die Anzahl Lektionen, welche diese Fächer in welchem Schuljahr unterrichtet werden sollen. Ich erinnere an Religion und Kultur, an Englisch, Handarbeit, Hauswirtschaft, Berufswahl und die Naturwissenschaften. Der Kantonsrat hat somit schon mehrfach Gegenstände debattiert, die den Detailierungsgrad des Lehrplans noch übertreffen.
Das zeigt erstens: Lehrplan-Entscheide interessieren! Weshalb? Weil sie bedeutend für die Gesellschaft in unserem Kanton sind, für die Zukunft der Gesellschaft, sie betreffen die Bildung der Entscheidungsträger von morgen. Zudem gibt es viele Betroffene: Eltern, Kinder, Lehrmeister, Mitarbeiter von Schulen.
Deshalb interessieren sich die Öffentlichkeit und damit auch der Kantonsrat für die Gestaltung des Lehrplans. Das ist gut: Denn betreffend der Gestaltung der Gesellschaft der Zukunft gibt es Neutralität genau so wenig wie in der Politik. Sie finden den Beweis für diese Aussage gerade im Lehrplan 21, zum Beispiel im Bereich „Fächerübergreifende Themen unter der Leitidee Nachhaltiger Entwicklung“.
Der Lehrplan ist der Richtplan für die Zukunft des Geistes am Standort Zürich, ihn demokratisch Abzustützen ist folglich eine berechtigte, ja sogar notwendige Forderung.
Zweitens zeigten bisherige Lehrplandiskussionen im Kantonsrat, dass wir in der Lage sind, solche zu führen. Die Debatte wird sich auf umstrittene Themen beschränken und dann, je nach Resultat, wird der Rat den Lehrplan genehmigen oder ihn ablehnen, vielleicht auch nur einzelne Bereiche.
Jene die Monsterdebatten voraussehen, irren sich: Gesamtrevisionen des Lehrplans bleiben selten, denn Konstanz in Lernzielen und damit im Unterrichtsangebot ist für Schulen wichtig. Der Kantonsrat ist zu Lehrplandebatten befähigt.
Die Forderung der Initianten nach verbindlicher Mitsprache kommt heute, weil der Lehrplan 21 umstritten ist. Er ist dies in folgenden Punkten:
- Die Gliederung in drei gleich lange Zyklen führt uns zum X-ten Mal zur Grundstufendiskussion, da im neuen Lehrplan Kindergarten und die ersten Primarschuljahre zusammengelegt werden.
- Die Fächer Geographie und Geschichte werden reduziert und zusammengelegt. Der Plan orientiert sich im ganzen Gesellschafts- und Natur- und Technikbereich nicht an etablierten Denkansätzen.
- Der Lehrplan enthält umstrittene moralisierende Ziele, zum Beispiel zum Konsumverhalten, zur nachhaltigen Entwicklung aber auch zu anderem.
- Zeitpunkt und Ziele der Sexualerziehung
- Die Höhe der Anforderungen und die komplizierten Formulierungen der Kompetenzorientierung.
- Die Gewichtung von ICT ist viel zu gross. Musik zu stark gewichtet, Berufswahl zu knapp.
- Die Fremdsprachen-Frage “ab wann welche?“ ist unbefriedigend gelöst.
Trotz dieser Liste haben im Vernehmlassungsverfahren viele geschrieben, der Lehrplan sei gut, wenn man noch dies oder jenes ändere.
Das kommt daher, dass die Geographielehrer sich nicht zur ICT äussern, die Sexualmorals-Apostel nicht zur Nachhaltigkeit, die Gewerbler, die mehr Berufswahl wünschen, nicht zur Grundstufe, und so weiter. In anderen Worten bedeutet das, dass der Lehrplan, wie er heute vorliegt, fast niemand wirklich gut findet. Jeder einzelne Bereich einzeln betrachtet aber mehr Befürworter als Gegner findet. Kritik wird so durch Vernehmlassungsverfahren gestreut und ist zudem rechtlich nicht bindend.
Eine Kantonsratsdebatte macht das Gegenteil: In ihr wird Kritik gebündelt. Deshalb ist das Resultat auch eine echte Qualitätsprüfung. Und Abstimmungsresultate sind bindend.
Es ist deshalb logisch vorgezeichnet: Ein mangelhafter, nicht breit abgestützter Lehrplan wird etabliert, falls wir jetzt nicht das letzte Wort über diesen «Konsens der Zukunft» in die Hände der breiten Gesellschaft selbst legen.
Die PI ist unbedingt zu überweisen.