27 Millionen Franken soll der Kanton Zürich im Jahr 2015 mehr einnehmen als ausgeben. Dies hat der Kantonsrat am Montagabend, 15. Dezember, beschlossen. Gestartet wurde mit einem anderen Antrag: Die Regierung wollte 191 Millionen Mehrausgaben. Das Parlament hat es somit geschafft, einen negativen Antrag in einen positiven Beschluss zu verwandeln. Tatsächlich positiv?
Die UBS prognostizierte Ende November für das Jahr 2015 ein Konjunkturwachstum von 1.4 Prozent, Tendenz seit dem letzten Frühjahr sinkend. Der Zürcher Regierungsrat ging bei seinem Budgetantrag noch vom doppelten Wachstum aus (Richtwerte Budgetprozess vom März 2014).
Dank Einberechnung dieser zu fröhlichen Konjunktur soll der Ertrag des Kantons Zürich 2015 mehr wachsen, als durch das Bevölkerungswachstum gegeben wäre, um 167 Millionen gegenüber dem Vorjahr. Die Steuereinnahmen alleine wachsen um 2.4%. Noch mehr sollen sie wachsen im 2016 und erst Recht bis 2018. Zusammen mit anderen Erträgen – z.B. 100 Mio. höhere Entgelte beim Zürcher Verkehrsverbund (Gemeinden und Reisende zahlen), also Gebühren und Abgaben – “Den Spendern sei ein Trullalla“. Hier eine Grafik der optimistischen Ertragserwartung des Regierungsrates (Antrag Budget 2015, Finanzplanung 2015 – 2018):
Der Kantonsrat hat in der Budgetdebatte die Ertragserwartung nicht etwa realistisch gedämpft, sondern, im Gegenteil, um 58 Millionen Franken erhöht. So viel Gewinn soll die Nationalbank 2015 unserem Kanton ausschütten. Dabei steht in den Sternen, ob die Nationalbank überhaupt Gewinn erzielen wird: Eine kleine Schwankung des Eurokurses und wutsch: Weg ist er.
Die erste Woche 2015 (Euro im “Neunjahres-Tief“) zeigte dies eindrücklich. Noch eine persönliche Bemerkung am Rande: Die Fixierung des Frankens an den Eurokurs ist ein Fehler: Sinkt der Euro, sinkt auch der Franken. Das freut die Exportwirtschaft, vernichtet aber nicht nur Nationalbankgewinne (und reisst somit höhere Defizite in die Kantonshaushalte), sondern vor allem die Kaufkraft aller Frankenbesitzer gegenüber dem Ausland. Gesünder wäre es, diese Kaufkraft zu nutzen (durch Investitionen) und damit die Wirtschaft zukunftsgerichtet zu stärken! Möglich, klar, dass bei höherer Kaufkraft und weniger Exporten die Lohnhöhe in unter Druck gerät. Wie die Zinsen. Es gilt halt auch in der Wirtschaft: Medizin, die langfristig nützt, schmeckt am Anfang bitter.
Der Staat wird dicker
Der Kanton hingegen wurde nicht billiger. Im Gegenteil: Der Aufwand wächst im Budgetjahr 2015 schneller als der Ertrag. Gemäss Regierung von 2014 auf 2015 um 2.9% – ein Sprung um 415 Millionen aufwärts. Der Kantonsrat hat diesen Sprung – der immer noch nach oben geht (niemand gibt weniger aus als letztes Jahr, nur “weniger schnell mehr aus“) – um rund 165 Millionen reduziert. Wir landen bei sagenhaften 14.84 Milliarden Aufwand in der laufenden Rechnung. Das sind 4.4 Milliarden (43 Prozent) mehr als vor 10 Jahren. Das Ausgabenwachstum liegt weit über dem der Einwohnerzahl: Der Staat ist dick geworden.
Und er nimmt weiter zu. Erst von 2017 auf 2018 ist eine Abflachung des Aufwandwachstums geplant.
Ist die abgebildete Entwicklung realistisch? Das bisherige Aufwandwachstum, der Optimismus in den Ertragsprognosen und die Tatsache, dass die Regierung die positive Entwicklung in die am weitest entfernten Planjahre legt, deuten in eine andere Richtung. Die Kurven werden auseinander klaffen. Dann wird der gesetzlich vorgeschriebene mittelfristige Ausgleich (d.h. innerhalb der vier letzten und vier kommenden Jahre muss die laufende Rechnung ausgeglichen sein) nicht erreicht. Dann müssen Regierungs- und Kantonsrat den Aufwand senken oder die Steuern erhöhen (und damit den Wirtschaftsstandort schwächen). Diese bittere Pille schlucken der nächste Regierungsrat und der nächste Kantonsrat. Die Amtierenden waren eine Legislatur lang Schönwetter-Politiker, trotz aufziehenden Wolken.
Selbst wenn es finanziell aufginge: Wenn sich der Staat ausdehnt, übernimmt er Leistungen, die vorher eigenverantwortlich erledigt wurden. Solch schleichende Verstaatlichung ist ungesund: Im gleichen Mass wachsen Abhängigkeit und Unfreiheit im Staat. Diese Entwicklung will die SVP nicht hinehmen.
Deshalb hat sie in der Budgetdebatte im Dezember zahlreiche Anträge eingebracht, um den Aufwand im Budget zu reduzieren. Einer davon, der grösste, ist die sogenannte “Pauschalkürzung“. Diese sei hier kurz erklärt:
Die Pauschalkürzung
Der Voranschlag des Staates ist in grosse Leistungsgruppen aufgeteilt (z.B. ist die gesamte Volksschule eine einzige Leistungsgruppe). Pro Leistungsgruppe kann der Kantonrat nur den gesamten Betrag verändern. Er darf (und muss) nicht bestimmen, wo exakt die Regierung innerhalb einer Leistungsgruppe kürzen muss. Der Regierungsrat bleibt im Detail frei (ob er z.B. in der Volksschule ein überflüssiges Reformprojekt oder bei den Löhnen kürzt). Verbindlich ist nur der Betrag. Man nennt das ein “Globalbudget“.
Nun gibt es die Leistungsgruppe 4950 (sprich. “Neunundvierzigfünzig“). Über diese werden Zinsen ausgeglichen oder eben, Nationalbankgewinne verbucht, sie ist kaum steuerbar. Und genau hier bringt der Kantonsrat seinen Willen zum Ausdruck und verbessert den Saldo um denjenigen Betrag, um welchen der Regierungsrat das Budget verbessern soll. Heuer 100 Millionen Franken. Finanzdirektorin Ursula Gut trötzelt: „Unsteuerbares Sammelkonto = unverbindlicher Auftrag = wird nicht umgesetzt“.
Doch sie wird sich trotzdem anstrengen. Denn der Kantonsrat hätte eine Alternativen zur Pauschalkürzung: Er könnte die 100 Millionen porportional auf jede einzelne Leistungsgruppe verteilen. Der Regierungsrat müsste sich an die gekürzten Beträge halten und würde damit viel mehr einschränkt, als er es heute ist. Das will er vermeiden und so funktioniert die Pauschalkürzung eben doch.
Die SVP hat dem Rat übrigens eine doppelt so hohe Aufwandkürzung beantragt: 200 Millionen. Angesichts der gezeigten Entwicklung des Gesamtaufwandes (+ 43% in zehn Jahren) wäre auch das nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Trotzdem hätte es Sinn gemacht: Nur so hätte das Ausgabenwachstum mit dem Ertragswachstum korreliert. Denn nur dann ist Aufwandwachstum gesund, wenn der Ertrag ohne Steuererhöung im gleichen Masse mitwächst. Nicht einmal eineinhalb Prozent des Gesamtaufwandes wären das gewesen.
Was andere Parteien an Klimazielen setzen, kommt ihnen bei den Finanzen zu sportlich vor: Der nachhaltige Umgang für die kommenden Generationen.
Matthias Hauser, Kantonsrat SVP, Mitglied der Finanzkommission