Artikel im SVP Klartext_1_2008
Inmitten der Zürcher Streetparade wurde ein Jugendlicher niedergestochen. Mitte September am Zürcher Seeufer einer von einer Bande getötet. Im August ein Passant von einem jugendlichen Autofahrer angefahren, verfolgt und zusammengeschlagen. Ein junger Mann erschiesst grundlos eine Schülerin an der Bushaltestelle. Fast jede Woche kommt ein schlimmer Fall dazu, junge Menschen, die Gewalt gegen Leib und Leben ausüben.
Seit ich vor acht Jahren als Sekundarlehrer in den Schuldienst der Stadt Zürich getreten bin, habe ich aus meinem und aus Nachbarschulhäusern folgende Geschichten vernommen:
Ein Kollege quittierte den Schuldienst, weil er von Schülern, die er beim Autozerkratzen angetroffen hatte, in eine Schlägerei verwickelt wurde. Eine Lehrperson für Englisch wurde am Abend von Jugendlichen spitalreif geschlagen, ein Schüler stach im Werkunterricht einem anderen den Stechbeutel in die Brust, einer wurden in Abfallcontainer eingesperrt und es wurde ihm ein Brandzeichen verpasst, Handys wurden geklaut, Znüni erpresst, ich musste wegen Rauchen und Alkohol in Schullagern Schüler nach Hause schicken, im Hauswirtschaftsunterricht polterte ein Kolumbianer einem Albaner einen Stuhl über den Kopf, worauf der andere das Küchenmesser zückte (die Lehrerin und andere Schüler trennten die beiden, es gab ein Verhaltensvertrag ohne weitere Konsequenzen), Computer sind aus dem ersten Stock auf den Pausenplatz geflogen, zweimal habe ich selber per SMS Beleidigungen, einmal eine Todesdrohung erhalten, am Abend eines 27. Dezembers – mitten in den Ferien – ruft eine Schülerin an, sie stehe auf dem Bahnsteig und springe auf das Gleis, “Hiphopper“ bekriegen “Skater“ in der ganzen Stadt, Schüler in der Klasse, die im halben Quartier polizeilich verfügte Hausverbote haben, ein 13jähriger erscheint am Morgen nicht, raubt mit einem Kollegen einen Kiosk aus und wird einen Tag später in Lausanne beim Verkauf von Cannabis aufgegriffen, arbeitslose ehemalige Schüler “hängen“ am Freitagnachmittag auf dem Pausenplatz und rauchen, ein Stadtrat der die Weisung ausgibt, rauchen sei nicht erwünscht, wo es doch sonst auf Schularealen im Kanton überall verboten ist.
Massnahmen gegen Jugendgewalt
Es gibt keine Massnahmen, welche Gewaltvorfälle zu 100 Prozent verhindern – jedoch Haltungen, Schulpolitik und Schulsysteme, welche negative Vorfälle begünstigen. Zur Besserung braucht es folgendes:
- Integration als Eintrittsbillet in die Schule
- Autorität und Kompetenz den Lehrpersonen
- Klassenlehrerprinzip beibehalten
- Konzentration auf Stoffvermittlung und Leistungsorientierung
- Geregelte Sanktionen und Disziplinarmassnahmen
Primär obliegt es den Eltern, dafür zu sorgen, dass ihr Kind schulfähig zur Schule kommt, gewaschen, ausgeschlafen, pünktlich und mit allem benötigten Schulmaterial. Auch mit einem Verhalten, welches einen geordneten Unterricht erlaubt. Es braucht Sanktionen, wenn Eltern ihre Pflicht nicht erfüllen und Disziplinarmassnahmen, wenn Kinder sich nicht an Regeln halten. Massnahmen sollen nicht auf Beliebigkeit beruhen, sondern so geregelt sein, dass die Behörden handeln müssen. Die Verpflichtung zum entschlossenen Handeln wirkt präventiv, schützt andere Kinder und stärkt den Rücken der Lehrpersonen.
Zivilcourage statt Stasimethoden
Rückenstärkung ist besonders wichtig: Werden Jugendliche von Lehrpersonen gemassregelt klagen oft Eltern der Schulbehörde das Leid. Diese übergibt den Fall mit Auflagen der Schulleitung. Diese wiederum lädt zum Elterngespräch; Lehrperson und Kind/Eltern erscheinen als gleichgestellte Konfliktparteien. Der Zeitaufwand wird gross, die Autorität der Lehrperson verwischt und für die Mitarbeiterbeurteilung bleiben Erinnerungen haften. Zudem ist das Gelingen einer Beziehung zwischen Menschen eine persönliche Sache, die an einem solchen Gespräch voll ausgebreitet wird. Richtiges Verhalten der Schulbehörden wäre, die Eltern an die Lehrperson zu verweisen. Sobald sich kinderhörige Eltern an die elternhörigen Schulbehörden wenden und diese den Fall an die behördenhörigen Schulleitungen weitergeben, fehlt die Kompetenz zur Erziehung dort, wo sie am meisten benötigt wird: Bei der Lehrperson. Wo Kompetenz fehlt, fehlt auch Autorität. Lieber kontrollieren Schulbehörden mit Stasimethoden Lehrpersonen, ob der wöchentliche Klassenrat auch wirklich durchgeführt und die Projektwoche zur Gewaltprävention mit vollem Engagement mitgetragen wird, anstatt dass sie mit Zivilcourage erziehen lässt.
Dass die Autorität von Fachkräften nicht viel Wert ist, beweist auch die Schulpräsidentenkonferenz der Stadt Zürich. Für den millionenteuren Entscheid, die Sekundarstufe der Stadt ab dem Schuljahr 08/09 mit nur noch zwei Abteilungen zu führen, wurde es abgelehnt, Lehrpersonen zu befragen. Dies im Gegensatz zu Winterthur, wo sich 80% aller Lehrpersonen, aber auch 60% derjenigen, die heute an einer zweiteiligen Oberstufe unterrichten, für das dreiteilige Modell entschieden haben. Weshalb? Weil in der dreiteiligen Oberstufe der Klassenverband nicht aufgelöst und damit den Jugendlichen ein überblickbares Sozialgefüge geboten wird, und weil Klassenlehrer nicht einfach zu klassenverantwortlichen Fachlehrern degradiert werden. Wechselt die Lehrperson in der Pause, verlieren Notizen über das Fehlverhalten der letzten Lektion an Bedeutung. Diese Notizen müssen spürbare Konsequenzen haben.
Nutzlose “Papiermassnahmen“
In Mode sind ungeignete Konsequenzen: Berufschancenverbauende Zeugniseinträge und im Elterngespräch ausgehandelten “Verhaltensverträge“. Papier ist eine Massnahme, die Jugendliche aus Kulturräumen mit Gewöhnung an direktere Autorität kaum verstehen.
Natürlicherweise haben Ausländer besondere Integrationsdefizite betreffend Sprache und dem unserer Gesellschaft angepassten Verhalten. Werden Defizite nicht behoben, bleibt das ausländische Kind chancenlos. Frustration und Gewalt sind mögliche Folgen. Nur eine rasche Integration, vor dem Eintritt in Regelklassen, kann dies verhindern. Die SVP muss für Schulerfolg zureichende Deutschkenntnisse als Eintrittsbillet in Regelklassen fordern.
Wert zeigen
Manche Pfarrer, Lehrer und Gemeindepräsidenten haben als Jugendliche Briefkästen gesprengt, auf Spatzen geschossen, sich mit Steinen beworfen. Aber wehe, wer erwischt wurde. Konsequenzen waren unverhandelbar, sie wurden getroffen. Verdiente Strafen wurden erduldet, nachher war es vorbei und verbüsst. Die Welt war wieder in Ordnung und hat Wert gezeigt. Diese Orientierung geben wir heute nicht mehr; ohne Orientierung werden die Taten immer brutaler. Vermutlich ist das Problem der Jugendgewalt daher bei uns Erwachsenen zu suchen, die 68ziger haben uns zu Softies gemacht.