Entscheide, die Jahre später für unsere Gemeinden wichtig werden, beginnen oft in Bundesbern und tröpfeln über Jahre via Kantonsrat in die Gemeinden. Ein aktuelles Beispiel: 2007 wurde das Bundesgesetz über die Krankenversicherung revidiert (National- und Ständerat). Die Patienten sollten künftig frei auswählen können, in welchem der wichtigen Spitäler sie sich behandeln lassen (Listenspitäler). Um dies zu ermöglichen, mussten fortan die Spitäler für die gleiche Behandlung von Krankenkasse und öffentlicher Hand gleich entschädigt werden (Fallpauschalen).
Diese Neuerungen bedingten eine Änderung der kantonalen gesetzlichen Vorgaben. Nun war der Kantonsrat gefordert: Er verabschiedete das neue Spitalplanungs und –finanzierungsgesetz, am 17. Juni 2012 wurde es in der kantonalen Volksabstimmung mit 66.7 Prozent JA-Stimmen angenommen. Es war eine komplizierte Vorlage mit Gegenvorschlag. Folgende Grundüberlegung darin war aber unbestritten: Wenn die freie Spitalwahl für Patienten gilt, wenn der Kanton die Listenspitäler bestimmen muss und für eine bestimmte Behandlung die Spitäler überall gleich entschädigt werden, dann schwindet die Bedeutung regionaler Unterschiede zwischen den Spitälern. Deshalb übernimmt der Kanton die bisherige Finanzierung der Spitäler durch die Gemeinden zu 100%. Die Gemeinden wurden folglich aus der Pflicht entlassen, einem Spitalzweckverband anzugehören.
Dafür überwälzte der Kanton die Pflegekosten (Pflegeheime) ganz den Gemeinden: Eine riesige Last, wie letztes Jahr an mancher Rechnungsabnahme an Gemeindeversammlungen festgestellt wurde. Viele Gemeinden korrigieren nun im Voranschlag 2015 den Steuerfuss nach oben. Damit ist der Entscheid Bundesberns von 2007 im Portemonnaie von uns allen angelangt. Deshalb sind National- und Ständeratswahlen und deshalb sind Kantonsratswahlen wichtig.
Der Entscheide von damals führt zu einer weiteren Konsequenz: Weil die Mitgliedschaft in einem Spitalzweckverband für Gemeinden freiwillig wurde, da sie ja zur Finanzierung der Spitäler nichts mehr beitragen müssen, besteht die Möglichkeit, dass Gemeinden ohne die eigene Bevölkerung in einen Versorgungs-Engpass zu stürzen aus dem Spitalzweckverband Bülach austreten. Nur so tragen sie gar keine Kosten und auch keine Haftung mehr. Doch dadurch verlöre das Spital Eigenkapital (d.h. die Gesundheitsversorgung in der Region schrumpft) oder die verbleibende Gemeinden im Zweckverband müssten dafür ihren Kapitalanteil aufstocken, in einer Sache, die gesetzlich gar nicht mehr ihre Aufgabe wäre. Das ist unpraktisch.
Deshalb ändern manche Regionalspitäler ihre Rechtsform in eine Aktiengesellschaft. Als Aktionäre können die Gemeinden Einfluss behalten (ihr bisheriges Zweckverbandskapital bleibt dem Spital als Aktienkapital erhalten), ohne dass sie an weiteren Kosten beteiligt sind. Will sich eine Gemeinde tatsächlich ganz vom Spital zurückziehen, kann sie ihr Aktienkapital frühestens ab 2019 verkaufen, die anderen Gemeinden hätten als Käufer Vorrang. An vielen vorberatenden Gemeindeversammlungen wurde während dem letzten Sommer über die Rechtsformänderung informiert.
Die SP wirbelt nun gegen die Rechtsformänderung, die am 30. November in vielen Gemeinden zur Urnenabstimmung kommt. Wo AG drauf steht, ist für sie der Teufel drin. Dabei geht es nicht um eine Privatisierung, nicht einmal um eine Kostensenkung: Die AG ist schlicht die sinnvollste Reaktion von Gemeinden und Spital im Nachgang zur Bundesgesetzänderung von 2007. Die nun eben auch in diesem Punkt bei uns angelangt ist. Wäre nicht Wahljahr, würde niemand darüber streiten.
Doch der Wirbel um den Spital kommt einigen Parteien entgegen: Denn die aktuellen Probleme Sozialkosten und Europapolitik behagen ihnen nicht.
Matthias Hauser, Kantonsrat, Präsident der SVP Bezirk Bülach, Gemeindepräsident