Votum im Kantonsrat zur Einführung der neuen Rechnungslegungsverordnung – März 2008
Die Bewertung von Immobilien im Verwaltungsvermögen spiegelt vor, man könne diese mit Geld aufwiegen. Das ist falsch, da der Kanton Immobilien im Verwaltungsvermögen zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht. Er kann nicht eine Autobahnbrücke oder das Ratshaus verwerten.
Auch entspricht die vorgeschlagene Bewertungsmethode sowieso nicht der Realität. Aussagen dazu entnehmen Sie der Weisung, Seite 8. Weit entfernt von “true and fair value“.
Da nicht verwertbar und ungenau ging die öffentliche Hand bisher vorsichtig um mit der Bilanzierung von Immobilien. Die Illusion der Verwertbarkeit von Verwaltungsvermögen wurde rasch verkleinert und Investitionen in grösseren Schritten finanziert. Investitionsentscheiden lag so eine vorsichtige Finanzplanung zu Grunde.
Mit der RLV verlassen wir den Grundsatz der Vorsicht:
Erstens wird die Abschreibungsdauer erhöht auf eine Nutzungsdauer, die regelmässig neu zu bestimmen ist.
Zweitens soll, obwohl es IPSAS anders zulassen würde, neu linear statt degressiv abgeschrieben werden, also anfänglich in kleineren Schritten. Ausserordentliche Abschreibungen werden verboten.
Drittens wird wie gesagt das Verwaltungsvermögen neu bewertet. Vorerst nicht, indem einzelne Liegenschaften im Gelände geschätzt werden, sondern simpel nach der neuen Abschreibungsmethode mit neuen Nutzungsdauern. Der Wert des Verwaltungsvermögens steigt so gegenüber heute um sagenhafte 4.8 Milliarden Franken – buchhalterische Luft.
Diese Aufblasung erhöht jedoch auch das Eigenkapital und damit wird die Illusion perfekt: Diesem werden nämlich Defizite der laufenden Rechnung belastet, völlig egal, ob es aus Luft oder realisierbarem Vermögen besteht. Mit der vorliegenden RLV schaffen wir auf einen Schlag rund 4.8 Milliarden mehr Raum für Defizite.
Nach KEF 04 hätte der Kanton ohne Sanierungsmassnahmen im Rechnungsjahr 2008 sein Eigenkapital aufgebraucht und hätte den Aufwandüberschuss der laufenden Rechnung durch die Erhöhung der Verschuldung decken müssen – eine Katastrophe. Viele von Ihnen haben unterdessen dennoch einzelne Sanierungsmassnahmen rückgängig gemacht, einige hinterfragen den mittelfristigen Ausgleich und die Schuldenbremse. Meine Damen und Herren: Wir kommen tatsächlich nicht darum herum, durch Strukturreformen unsere Finanzen zu verbessern. Mit der fiktiven Eigenkapitalerhöhung schaffen wir heute die Illusion, dies nicht anpacken zu müssen.
Der Bund und alle Kantone ausser Genf haben diese Gefahren erkannt. Sie entschlossen sich daher für eine Harmonisierung der Rechnungslegung, die sich zwar an IPSAS anlehnt, ausserordentliche Abschreibungen aber zulässt und keine laufende Neuschätzungen verlangt. Damit verhindern sie den Aufbau einer Administration zur Bilanzierung finanzpolitischer Luft und ermöglichen vorsichtige Finanzierung weiterhin.
Der Kanton soll Immobilien aktivieren, wie in der Privatwirtschaft modern, lautet das Argument für IPSAS.
Aber meine Damen und Herren: Seit Januar 08 ertönen die Warnsignale aus der Privatwirtschaft laut, wie niemals zuvor. Stichwort Immobilienkrise. Krediten stehen kleinere Liegenschaftswerte gegenüber, als es Banken angenommen haben. Weltweit wird deshalb in den nächsten Jahren vorsichtig mit Liegenschaftswerten umgegangen. Wer heute die neue RLV annimmt, tut das Gegenteil und imitiert das Verhalten der Wirtschaft von Gestern.
Lehnen sie stattdessen die Vorlage ab und verlangen sie eine neue Verordnung, die den Kanton Zürich auf HRM2 verpflichtet, analog den übrigen Kantonen!