Fata Morgana für den Bürger – Kolumne zur Einführung von IPSAS

Während sich 24 andere Kantone getrauen, von den „International Public Sector Accounting Standards“, kurz IPSAS, abzuweichen, beschloss der Kantonsrat deren Anwendung katholischer als der Papst.

IPSAS zwingt zu einer Neubewertung des Verwaltungsvermögens. Dieses wurde bisher während einer vorbestimmten Nutzungsdauer mit jährlich 10% vom Restwert abgeschrieben und so in grossen Schritten finanziert. “Abschreiben nach Vorsichtsprinzip“ nannte man das.

Künftig wird die Nutzungsdauer von Immobilien systematisch neu bewertet (= laufend verlängert) und vom Anfangswert mit einem kleinen Prozentsatz gleichmässig abgeschrieben. So gerechnet erfährt das Verwaltungsvermögen des Kantons eine Aufwertung um sagenhafte 4.8 Milliarden Franken. Diese spiegelt sich im Eigenkapital.

Nach und nach können in Neubewertungen Verkehrswerte eingerechnet werden: Der Kanton Zürich bindet so sein Eigenkapital an das Auf und Ab des Liegenschaftsmarkts: Nach der Immobilienkrise wahrlich ein Vertrauen erweckendes Zeichen!

Weitere Risiken und Nebenwirkungen:

4.8 Milliarden Täuschung

Der sagenhafte 4.8 Milliarden-Anstieg des Eigenkapitals ist eine Fata Morgana: Er entspricht wegen der anfänglichen pauschalen Bewertung sowieso nicht realen Werten. Noch triftiger: Verwaltungsvermögen ist gar nicht verwertbar. Man kann weder Ortsumfahrungen noch Schulhäuser verkaufen. Unverwertbares aufwerten ist, als würde man in einer Karte zur Wasserversorgung Regenwolken einzeichnen.

Übrigens werden Defizite der laufenden Rechnungen dem Eigenkapital abgebucht. Die Gefahr, dass dieses aufgebraucht werden könnte, rechtfertigt das Gesetz über den mittelfristigen Ausgleich der Staatsrechnung. Die Aufwertung zeigt 4.8 Milliarden mehr Substanz bis Defizite mit Schulden gedeckt werden müssten – Substanz, die aber nicht zur Verfügung steht. Die falsche Sicherheit kommt gerade recht, um Staatsaufgaben nicht abzubauen. Es hat ja genügend Luft in der Bilanz.

Sorglosigkeit vor Investitionen

Die neue Abschreibungsmethode zieht die Finanzierung von Verwaltungsvermögen in die Länge, der jährliche Abschreibungsbedarf pro Liegenschaft wird kleiner. Investitionsentscheide müssen weniger vorsichtig kalkuliert werden.

Fremdes Recht

Ein internationales Komitee aus Treuhänder und Treuhandkammern entwickelt IPSAS ständig weiter. Private Hände legen fest, was sonst die Regierung als Verordnung und Reglemente erlassen müsste. Wie transparent der Nachvollzug von Weiterentwicklungen dem Parlament dargestellt wird, hängt vom Goodwill der Finanzdirektion ab. Wenig verwunderlich, dass die CVP-Sprecherin froh darüber schien: “Parlamentarier sind fachlich
überfordert“. Soso.

Gemeinden

Irgendwann werden die 171 Zürcher Gemeinden IPSAS nachvollziehen; Vorbei mit dem Vorsichtsprinzip auf Gemeindestufe. Die Aufwertungen sind gigantisch: Längst abgeschriebene, noch benutzte Lehrschwimmbecken aus den 70ziger Jahren erscheinen wieder als Vermögen. Nebst Unterhaltskosten resultieren daraus neue Abschreiber.

Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren hat für die Harmonisierung der Rechnungslegung bewusst die Banden breiter als IPSAS gesteckt; Nachteile sollen umgangen werden. Die SVP hat für einmal dafür gekämpft, sich einem Direktorenbeschluss anzuschliessen. Vergebens.

Der Rat hat vergessen, für wen die Rechnungslegung die Rechnung legt: Nicht zur internationalen Vergleichbarkeit, sondern für die Bürger und ihr Parlament. Wir müssen die Rechnung prüfen. Dazu brauchen es Kompetenz und keine Fata Morgana Zahlen.