Der Leitartikel im Zürcher Boten vom 13. Juli verdient eine Replik. Es geht darum, ob der dreiwöchige Hauswirtschaftskurs an den Mittelschulen ins Untergymi verlegt werden soll, was der Kantonsrat auch dank den Stimmen der SVP bejahte – richtigerweise. Bildungsrat Samuel Ramseyer schreibt gegen diesen Beschluss und argumentiert historisch und mit der Qualität des hauswirtschaftlichen Unterrichts. Von Geschichte hat sich der Kantonsrat ebenfalls leiten lassen, bei der Qualität aber spannte er den Fokus breiter: Es geht um die Maturität, nicht nur um Hauswirtschaft.
Die Beseitigung einer Doppelspurigkeit: Während Gymnasiasten, die direkt nach der 6. Klasse an eine Mittelschule gehen, keine Hauswirtschaft ausser den dreiwöchigen Kurs haben, besuchen heute alle anderen Jugendlichen, Mädchen wie Knaben, drei Lektionen pro Woche Hauswirtschaftsunterricht (nicht nur Kochen) im ersten Jahr der Sekundarschule. Das sind rund 120 Lektionen und das ist nicht wenig. Viele belegen zudem in der dritten Sek das Wahlfach Hauswirtschaft und verdoppeln so die Lektionenzahl. Trotz dieser Ausbildung schickt der Kanton diejenigen, die aus der zweiten oder dritten Sek an die Mittelschule übertreten, erneut in den Hauswirtschaftskurs, zusammen mit den „Anfängern“, die seit der 6. Klasse am Gymi sind und noch keine Hauswirtschaft besuchten. Dasselbe gilt für die Handarbeit: Sie ist Teil vom dreiwöchigen Kurs, obwohl alle Jugendlichen aus der Sek bereits während der zweiten Oberstufe ein Jahr lang Handarbeit hatten. Weshalb werden ausgerechnet diejenigen Jugendlichen, die aus der Sek in ein Gymi übertreten, viel intensiver in Hauswirtschaft und Handarbeit geschult, als alle anderen? Zum Beispiel auch intensiver als Lehrlinge und Lehrtöchter? Auf diese Frage gibt es keine vernünftige Antwort!
Indem Hauswirtschaftskurse ins Untergymi verlegt werden, besuchen den Kurs künftig nur noch diejenigen, die nicht schon in der Sek ausgebildet wurden. Nach wie vor aber hat jeder Knabe und jedes Mädchen in unserem Kanton „Husi“ und „Handsgi“.
Die Qualität der Maturität: Wer in eine Mittelschule eintritt, hat sich für eine Ausbildung zur Hochschulreife entschieden. Die Matura berechtigt zu jedem Studium auf universitärem Niveau. Genügen die Gymnasien diesem Anspruch noch? Anlass zur Sorge besteht, es werden darüber Artikel geschrieben, Umfragen erstellt und brüten Arbeitsgruppen. Klar ist: Je mehr Zeit für eine Ausbildung zur Verfügung steht, desto höher das Niveau, das sich erreichen lässt und das Umgekehrte gilt auch. Die Zeit zur Erreichung der Maturität wurde 1996 per Volksabstimmung im Kurzgymnasium von 4.5 auf 4 Jahre gekürzt und gültig ab diesem Sommer vom Kantonsrat nochmals um sechs Wochen (Verlegung der Maturität vor die Sommerferien). Dazu kamen andere Reformen und „Sparmassnahmen“ (z.B. die Streichung von Freifächern, Selbstlernsemester). Alle Fachbereiche an den Mittelschulen, ausser die nicht maturitätsrelevante Hauswirtschaft, mussten abbauen. Die massiven zeitlichen Einbussen bei den „Kernkompetenzen der Hochschulreife“ lassen die Aufrechterhaltung von Doppelspurigkeiten ganz einfach nicht mehr zu!
Niemand will Hauswirtschaft abschaffen
Samuel Ramseyer argumentiert mit der Geschichte dieser Vorlage. Es sei deshalb noch weiter zurück erinnert: Als Hauswirtschaftskurse im Gymi für alle Maturitätstypen obligatorisch wurden, waren längst nicht alle Jugendlichen in dieser Disziplin ausgebildet: Die Knaben besuchten an der Sekundarschule stattdessen geometrisches Zeichnen, die Sekschüler hatten im Gegensatz zu den Real- und Oberschülern keine Ausbildung im Werken. Als diese Fächer Anfangs der 90ziger Jahre für alle Volksschüler obligatorisch wurden, entstand erst die erwähnte Doppelspurigkeit, die man unbesehen bestehen liess. Die von Samuel Ramseyer erwähnten 2004 gesammelten 19’000 Unterschriften kamen zustande, weil es sonst überhaupt keinen Hauswirtschaftsunterricht an den Mittelschulen mehr gegeben hätte. Man sammelte „gegen die Abschaffung der Hauswirtschaft“. Heute will keine politische Mehrheit die Hauswirtschaft abschaffen!
Arbeitsverweigerung privilegierter Lehrpersonen
In einem Punkt haben die Hauswirtschaftskurs-Lehrpersonen Recht: Ihre Kurse werden mit 13 bis 15jährigen Jugendlichen anders als mit 17 und 18 Jährigen. Die Jüngeren stecken mitten in der Pubertät, sind weniger selbständig, brauchen striktere Regeln, müssen auf dem Weg in die Kurse begleitet werden und sehen den Sinn ihres Tuns nicht gleichermassen ein. Gegenargument: Das gilt für jedes Fach. Der Unterricht wird nach der Pubertät erzieherisch einfacher, fachlich komplexer und nachhaltiger.
Zum Umgang mit jüngeren Jugendlichen sind Hauswirtschaftslehrpersonen sogar eher befähigt, als Mittelschullehrinnen und -lehrer. Hauswirtschaft ist ein Fachmodul der Sekundarlehrerausbildung an der Pädagogischen Hochschule. Alle übrigen Lehrpersonen der Sekundarstufe, inklusive der Hauswirtschaft an der Volksschule, arbeiten selbstverständlich mit 13 bis 15 Jährigen, erreichen Resultate, führen Projektwochen und Schulverlegungen durch, oft mit Erfolg, und dies ohne Klassen, die einzig aus Gymischülerinnen und -schüler bestehen. Es grenzt an Arbeitsverweigerung, wenn die Lehrpersonen der Hauswirtschaftskurse behaupten, sie seien nicht in der Lage, ihre Kurse anzupassen.
Dabei unterrichten sie unter einfacheren Bedingungen: Ein Team von drei Lehrpersonen führt den gleichen, dreiwöchigen Kurs neun Mal pro Jahr durch: Jedes Mal mit einer anderen Gymiklasse. Das sind 27 Kurswochen mit nur drei Wochen Unterrichtsinhalt als volles Arbeitspensum! Ich habe als Lehrerkollege null Verständnis, dass unter solchen Bedingungen nicht ein super Kurskonzept inklusive Betreuung für 14 Jährige möglich ist! Andere Lehrpersonen planen einen Fachinhalt über drei bis vier Jahre, haben jeden Tag andere Lektionen, verschiedene Fächer, arbeiten erfolgreich mit Pubertierenden und dies oft alleine, nicht zu dritt.
Wenn Lehrpersonen der Hauswirtschaftskurse trotz dieser Umstände verbissen an einer Doppelspurigkeit festhalten, geht es um Privilegienerhalt. Dem darf die Mehrheit der SVP Fraktion, die sehr befürwortet, dass jede Schülerin und jeder Schüler das Fach Hauswirtschaft besucht, nicht zustimmen.
Weitere Doppelspurigkeiten
Aus den Hauswirtschaftskursen erreichten uns Kantonsräte „Geschenklein“ mit der Bitte, den Status Quo zu erhalten. Besonders dreist: Ein Werbefilm. Produziert im Hauswirtschaftskurs von zwei Schülerinnen, zu zeigen, wie zufrieden alle Teilnehmenden mit dem Kurs seien und dass man ihn ja nicht verlegen solle. Zufriedenheit über die dreiwöchige Abwechslung zur kopflastigen Maturitätsausbildung ist bei Schülerinnen und Schülern kein Argument, sondern natürlich – ähnlich wie die Zufriedenheit, die sich in Pausen einstellt. Der Film beweist indes, dass es nicht nur in Hauswirtschaft und Handarbeit Doppelspurigkeiten gibt: Projektunterricht, Medienausbildung, Staatskunde und selbst Budgetplanung: Als ob dies im übrigen Unterricht von Volks- und Mittelschule nicht schon alles enthalten wäre!
Noch ein Wort an Samuel Ramseyer: Die Finanzpolitik ist keine Käseglocke! Es ist der sorgfältige Umgang mit den Staatsfinanzen und somit vor allem der Blickwinkel der Finanzpolitik, welcher garantiert, dass für die Bevölkerung der grösstmöglichen Nutzen aus dem Steuerfranken resultiert. Die SVP Fraktion nimmt diese Aufgabe mit grossem Ernst wahr. Gerade Bereiche, die uns am Herzen liegen (z.B. Hauswirtschaft), müssen diesbezüglich vorbildlich aufgegleist sein!
Matthias Hauser, Kantonsrat, Hüntwangen