Ausgerechnet dem «Letzten Willen» eines Eigentümers soll ein Teil des Eigentums entzogen werden. Das will die Initiative für eine Erbschaftssteuer, über die wir am 14. Juni abstimmen.
Wurde und wird Eigentum legal erworben und versteuert (Einkommens- und Vermögenssteuer) und sind keine Schulden vorhanden, käme niemand auf die Idee, es einem Lebenden wegzunehmen. Kaum verstorben, fallen die Hemmungen: Eine Erbschaftssteuer soll sich am Eigentum vergreifen. Welch diebische Forderung!
Die Befürworter sehen im Erben einen Glückspilz, dessen unverschuldetes Einkommen versteuert werden muss. Eine Prise Neid schwingt mit. Ich sehe das anders: Bei einem Erbgang handelt es sich um die geregelte Fortführung bestehender Eigentumsrechte und bestehender Verantwortung durch Übertragung an Nachfolger. Im Gegensatz zu anderen Einkommen liegt einem Erbgang selbst kein wertschöpfender Vorgang zu Grunde. Viele Erben führen eine Firma weiter, pflegen Liegenschaften ihrer Eltern oder begleiten Investitionen wirtschaftsfördernd in die Zukunft.
Nehmen wir eine KMU: Der Erbe zahlt seine Geschwister aus. Nach Annahme der Initiative muss er zusätzlich von dem Teil des Erbes, der zwei Millionen Franken übersteigt, 20 Prozent dem Staat abliefern. Viel flüssiges Geld ist für Auszahlung und Steuer notwendig. Das kann Verkauf bedeuten.
Weil dies ruinös ist, bauten die Initianten eine Bremse ein: Im Initiativtext heisst es, dass bei Fortführung einer Unternehmung durch die Erben Ermässigungen in Form eines höheren Freibetrages (höher als besagte zwei Millionen Verkehrswert und mit geringerem Steuersatz) gelten sollen, und dass die Zahlungsfrist ausgedehnt werden kann. Der Wert einer Landwirtschaft muss von Erben, die weiter bauern, nicht versteuert werden (und von jenen, die ausbezahlt werden?). Genaueres ist nicht ausgeführt. Wir wissen weder, wie hoch die Freibeträge noch die reduzierten Steuersätze ausfallen: Wer Ja sagt, kauft die Katze im Sack.
Der Bundesrat soll bis am 1. Januar 2018 ein Ausführungsgesetz erlassen. Auf den gleichen Zeitpunkt müssen kantonale Erbschaftssteuern aufgehoben werden. Damit gehen den Kantonen rund eine Milliarde Franken und ein Teil der Finanzhoheit verloren. Die neue Erbschaftssteuer macht im Gegensatz zu heutigen kantonalen Erlassen keinen Unterschied, zwischen direkten Nachkommen und übrigen Erben. Direkte Nachkommen bezahlen heute nur in drei Kantonen Erbschaftssteuern.
Weiter fordert die Initiative, Schenkungen rückwirkend bis 2012 dem Nachlass zuzurechnen. Man stelle sich vor, Gesetze würden häufig rückwirkend geändert: Niemand wäre sicher, aus zukünftiger Sicht richtig zu handeln. Rechtssicherheit ade.
In diesem Fall trifft die Rechtsverdrehung aus der Zukunft jene, von denen alle profitieren. Bereits ohne Erbschaftssteuer bezahlen die Reichsten 10 Prozent der Bevölkerung 80 Prozent aller Steuern, zudem weit mehr AHV, als sie je zurück erhalten. Vier Milliarden jährlich werden aus diesem Grund in der AHV umverteilt, auch bei der Arbeitslosenversicherung spielt der gleiche Effekt. Es lohnt sich, reiche Einwohner zu haben. Bei der Besteuerung von Vermögen liegt die Schweiz über dem Durchschnitt aller OECD-Staaten. Wir müssen damit rechnen, dass unsere Milchkühe abwandern, wenn man ihren Kälbern ans Fleisch will.
Deshalb lassen wir das mit der diebischen Steuer doch lieber bleiben.