Die Hüntwanger Gemeindeversammlung hat die neue Wasserverordnung mit 35 Stimmen (4 Stimmen über dem absoluten Mehr), zurückgewiesen. Der Gemeinderat – besser gesagt, nach den Wahlen 2014 der neue Gemeinderat – muss die Verordnung überarbeiten und sie den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern erneut vorlegen. Den Rückweisungsantrag, den Adolf Sigrist gestellt hat, habe ich zur Annahme empfohlen. Weshalb?
Zentraler Punkt der Rückweisung ist, dass die Wasserversorgung Stücke der Haupt- und Versorgungsleitungen, also derjenigen Leitungen, für die sie klassischerweise zuständig wäre, auf die Hauseigentümer übertragen will. Immer dort nämlich, wo eine Hauszuleitung angeschlossen wird, das sogenannte Anschlussstück (T-Stück), an dem oft ein „Schieber“ angebracht ist, mit dem man die Hauszuleitung abstellen kann. Wörtlich „IN JEDEM FALL“ hätten, laut abgeblitzter Verordnung, die Hauseigentümer Instandstellung, Wartung, Ersatz etc. dieser T-Stücke bezahlen müssen, also auch dann, wenn die Gemeinde-Wasserversorgung eine Hauptleitung saniert.
Dazu muss man wissen:
- Die Hauszuleitungen waren schon seit 1999 vollkommen in der Verantwortung der Hauseigentümer. Doch…
- …das T-Stück war dabei noch nicht erwähnt, dies kam erst jetzt in die Verordung. Trotzdem hat die Wasserversorgung seit 1999 den Ersatz von Schiebern und T-Stücken den Hauseigentümern in Rechnung gestellt (!)
- Dafür hat die Gemeinde die kleine Wartung jährlich gratis und ohne Kommentar übernommen, obwohl dies Sache der Hauseigenümer gewesen wäre.
- Wurde ein Wasserleitung der Wasserversorgung saniert, so hat die Gemeinde jeweils die Kosten für die neuen T-Stücke übernommen, ohne Absprache und entgegen der Regelung in der neuen Verordnung.
- Die Übernahme der Hauszuleitungen durch die Hauseigentümer ab 1999 hatte keine Auswirkungen auf den Wasserzins.
Es gibt also einiges an Praxis und alten/neuen Regelungen abzugleichen und evtl. sogar an der Gebührenordnung rund um diese Schieber und T-Stücke: Deshalb war eine Rückweisung klüger als einfach nur eine Änderung.
Der Antragssteller, Adolf Sigrist, hatte vorgängig zur Versammlung in Gesprächen noch folgende weiteren Punkte zur Wasserwirtschaft beanstandet:
- Wer ist für die Wasserabstellung an der Hauptleitung und Versorgungsleitungen verantwortlich (z.B. Information Nachbarschaft), wenn ein Hauseigentümer seinen Schieber ersetzen muss?
- Fehlende Vorschrift zur Hydrantendrosselung (um Schläge zu vermeiden, die zu Wasserrohrbrüchen führen können)
- Spezialfälle: Wer zahlt die Kantonsstrasse, wenn eine Hausleitung unter dieser durchläuft?
- Wer zahlt wieviel im Sanierungsfall (Kommt die Summe der Versicherungsprämien, welche alle Hauseigentümer zusammen zahlen müssen, teurer als eine leichte Erhöhung des Wasserzinses wegen einigen Rohrbrüchen?)
- Gebührenordnung allgemein (Kann T-Stück als Teil der Anschlussgebühren verrechnet werden und geht nachher an das Gemeindewerk über? Höhe der Wassergebühren).
Im Vorfeld der Versammlung kam ich – in der Rolle als SVP-Parteipräsident zwingend – ins Gespräch mit Adolf Sigrist – aktives SVP-Mitglied – und dem zuständigen SVP-Gemeinderat und Gemeindeingenieur Roland Schneider. Ich kam dabei im Hin- und her der Argumente zum Schluss, dass diese weiteren Punkte entweder nur wenig mit der Wasserverordnung zu tun haben (dafür mit dem Gebührenreglement oder Versicherungsbestimmungen) oder recht gut geregelt sind (Haftung bei Rohrbrüchen). Die Rückweisung hat deshalb den Umgang mit dem neuen T-Stück im Kern: Alles andere kann aber am Rande davon ebenfalls nochmals sauber betrachtet werden. Deshalb war eine Rückweisung definitiv klüger als eine Änderung!
Der Blick über die Gemeindegrenzen hinaus zeigt, dass es die unterschiedlichsten Regelungen gibt: Es gibt Gemeinden, da zahlt die Wasserversorgung alle Leitungen bis zu den Wasseruhren, andernorts bis zur Grundstückgrenze, bis zu den Hausmauern, andernorts gehörte die Hauszuleitung komplett dem Hauseigentümer, aber die Wartung übernimmt die Gemeinde, etc….. Gelebter Gemeindeföderalismus, alle haben Vor- und Nachteile. Wir hoffen, für Hüntwangen die optimalste aller Verordnungen zu erfinden!
Kein Festtagsgeläut: Die Glocke des Präsidenten
Weg vom Thematischen noch eine Bemerkung: An Gemeindeversammlungen wird normalerweise eher zu wenig als zuviel gesprochen – Gemessen an der Wichtigkeit der Traktanden für die Bürgerinnen und Bürger. Man darf lang sprechen, man darf heftig werden, man darf einen Blödsinn erzählen, man darf auch ins Detail gehen oder langweilig bleiben, man darf Argumente des Vorredners wiederholen. Anders als im Kantonsrat beispielsweise gibt es keine Redezeitbeschränkung – Lang-Langweiligredner disqualifizieren sich selbst. Das gehört zur gelebten Demokratie. Aber auch wer einen schlechten Tag erwischt, soll sich äussern dürfen und frei fühlen, dies zu tun. Adolf Sigrist und ich haben lange gesprochen, waren aber immer korrekt und anständig. Die Glocke mit dem mündlichen Kommentar („es sei keine Plattform zur Wahlkampfprofilierung – das Publikum sei nicht dumm, der Vorredner habe alles schon erklärt“) des Gemeindepräsidenten, habe ich deshalb als Fehl am Platz empfunden. Über die Festtage stellt man sich Glockengeläut anders vor. Und ich hoffe sehr, dass sich unsere Gemeindeversammlungen noch mehr zu Foren offener Diskussionen und Anträge entwickeln, denn nur so wird die Politik auch eine der Bürgerinnen und Bürger.