In diesem Text werde ich Ihnen die Geschichte der Umfahrung Eglisau im Kantonsrat in Erinnerung rufen. Und ich werde zeigen, wie sie weitergehen könnte. Sie werden sehen, dass es sehr darauf ankommt, ob wir uns einig sind und ob wir Mehrheiten finden.
Ich beginne bei der kantonalen Volksabstimmung vom 10. März 1985. Der Kredit von 66.8 Millionen Franken für ein doppelspuriges Umfahrungsprojekt östlich und auf der Höhe des Eisenbahn-Viaduktes wurde abgelehnt.
Der Kantonsrat hat 1988 einer neuen Linienführung im Richtplan zugestimmt, welche vom Regierungsrat vorgeschlagen wurde und welche fast alle Einwendungen gegen das Projekt von 1985 berücksichtigte, diejenige Linienführung, die auch heute noch im kantonalen Richtplan eingetragen ist. Ein Vorschlag der Regierung.
1991 haben dann die Kantonsräte Hans Fehr und Hans Rutschmann eine Motion eingereicht, es sei basierend auf dem Richtplaneintrag ein neues Projekt auszuarbeiten (KR Nr. 168/192). Die Regierung wollte die Motion nicht entgegen nehmen, aus Kostengründen, 200 Millionen Franken hätte die Umfahrung gekostet, der Kanton (Strassenfonds) hatte damals kein Geld. Trotzdem wurde die Motion Anfangs 1993 überwiesen. Der Regierungsrat hätte bereits damals ein Projekt ausarbeiten müssen.
Die SP-Kantonsräte Ruedi Keller und Hanspeter Lienhart haben ihrerseits 1992 ein Postulat eingereicht, mit dem Ziel, die Anwohner in Eglisau seien durch Lärmschutzmassnahmen und Fussgängerübergänge zu entlasten (KR Nr. 97/1992).
Die Regierung traf diese Schutzmassnahmen (Vorlage 3452/1995). Sie sehen heute zwei Fussgängerstege und Sie sehen heute die Lärmschutzwände. Gleichzeitig beantragte die Regierung, die Motion Fehr und Rutschmann, die ein Projekt erzwungen hätte, als erledigt abzuschreiben. Weil ja jetzt die Bevölkerung mit Lärmschutzmassnahmen geschützt sei, weil es zu teuer sei. So hat am 26. August 1996 der inzwischen neu gewählte Kantonsrat den Projektierungsauftrag ohne Projekt als erledigt abgeschrieben.
Der Stau wurde trotz Lärmschutzwänden grösser.
1999 hat darum der Gemeinderat Eglisau eine Behördeninitiative eingereicht (KR Nr. 333/1999), mit dem gleichen Anliegen: Der Regierungsrat solle eine Kreditvorlage ausarbeiten. Mit 107 Stimmen, einer absoluten Mehrheit, hat der Kantonsrat diese Initiative unterstützt.
Zu diesem Projektierungsantrag hat die Regierung 2001 Fristerstreckung beantragt.
Ein Jahr später präsentierte sie eine Gesamt-Strassenvorlage (Vorlage 3893/2001), die Eglisau-Umfahrung zusammen mit dem Zürcher-Seetunnel, der äusseren Nordumfahrung und vielen anderen, für die ebenfalls Vorstösse eingereicht worden sind. Die Regierung empfahl, alle diese nicht projektieren zu müssen. Im Rahmen dieser Gesamtvorlage wurde die Behördeninitiative im Kantonsrat nicht mehr definitiv unterstützt.
Der Richtplaneintrag aber blieb immer der Gleiche. In der Richtplandebatte von 2007 gelang es, ihn von mittel- bis langfristig auf kurz- bis mittelfristig zu ändern. Die Kantonsräte Werner Scherrer (FDP), Corinne Thomet (CVP) und ich (SVP) haben darum 2009 mit einer Motion wieder eine konkrete Projektierung verlangt, die Dritte (KR Nr. 55/2009). Der Regierungsrat wollte die Motion nicht entgegen nehmen, der Kantonsrat hat sie aber deutlich, mit 136 zu 38 Stimmen, auch dank der Hilfe der SP, trotzdem überwiesen. Das war am 20. August 2012, ab diesem Datum hat der Regierungsrat drei Jahre Zeit, ein konkretes Projekt vorzulegen, also bis August 2015.
Heute, in der Halbzeit dieser Frist, schlägt die Regierung vor, diesen Auftrag ohne Projekt als erledigt abzuschreiben (Vorlage 5055/2014). Ein Gutachten der Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) beantragt, die Linienführung zwischen den beiden bestehenden Brücken nicht weiter zu verfolgen. Die Regierung anerkennt aber, dass die Umfahrung notwendig ist.
Das erinnert an die Motion von 1991 – Kein Projekt, sondern Lärmschutzmassnahmen und Antrag auf Erledigung. Obwohl die Regierung anerkennt, dass die Umfahrung notwendig ist.
Das erinnert an die Behördeninitiative von 1999 – Kein Projekt, sondern Erledigung mit einer Strassen-Gesamtvorlage. Obwohl die Regierung anerkennt, dass die Umfahrung notwendig ist.
Es zeigen sich Parallelen im Verhalten der Regierung. Die Frage ist heute, ob der Kantonsrat auch parallel reagiert. Dann werden wir ungefähr im Jahr 2020 die nächste Motion mit einem Projektierungsauftrag haben – oder ob wir endlich einen Weg zu einer Umfahrung finden.
Aus diesem Grund koordinieren sich die Unterländer Kantonsräte aus der SP, FDP, EVP, BDP, CVP, EDU und aus der SVP zu diesem Geschäft.
Der Konsens ist, dass wir gegen die Erledigung der Motion sind, bis eine konkrete andere Linienführung mit Potential im Richtplan eingetragen ist. Wir reichen dazu keinen Vorstoss ein, der Regierungsrat hat in der Vorlage 5055/2014 und in den Pressemitteilungen dazu geschrieben, er prüfe von sich aus Varianten. Das soll er tun.
Wir Kantonsräte sind eher der Meinung, dass auch die seit 1988 im Richtplan eingetragene Linienführung Potential hat. Keine Lärmschutz-Wurst über den Rhein soll gebaut werden, sondern ein künftiges Baudenkmal, vom Städtchen her betrachtet ein Dreiklang schöner Brücken, die Strassenbrücke, eine Neue in der Mitte und der Viadukt ganz oben. Darum lassen wir den Auftrag der Regierung bestehen. Deshalb muss in eineinhalb Jahren ein Projekt vorliegen.
Wir suchen individuell, aber auch im Namen der überparteilichen Gruppe Unterländer Kantonsräte das Gespräch mit dem zuständigen Regierungsrat unter vier Augen. Wir hoffen, den Weg, der möglichst rasch zu einem Projekt führt, zusammen mit dem Regierungsrat gehen zu können. Es sollen alle Optionen offen bleiben.
Aus diesem Grund haben wir auf Anfragen und Interpellationen zum Gutachten der Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) verzichtet. Es gäbe viel zu fragen: Zum Beispiel wieso ein Gutachten ohne konkretes Projekt erstellt wird, weshalb mit einem Lärmschutz-Riegel, statt mit einem schönen Bauwerk gerechnet wurde, obwohl das Bundesinventar schützenwerter Landschaften erst über dem Rhein beginnt und man über dem Wasser vermutlich auf Lärmschutzwände verzichten könnte, welchen Wert die Richtplanung hat, wenn sich ein derart langjähriger Eintrag so banal als „nicht weiter zu verfolgen“ erweist? Wir fragen nicht, denn wir wollen vermeiden, dass der Regierungsrat seine Haltung öffentlich betoniert.
Die SP plant vielleicht, den Doppelspurausbau des Bahn-Viaduktes im Verkehrsrichtplan von langfristig auf mittelfristig zu ändern. Damit könnte die Regierung beginnen, eine Strassen-Schienen-Variante zu denken. Wir Kantonräte erhalten aus der Bevölkerung Vorschläge, wie man diese Umfahrung auch legen könnte. Je eine Variante ging sogar von zwei engagierten Ingenieuren ein, die in ihrer Freizeit zeichnen. Zum Beispiel mit insgesamt weniger Tunnel als heute aber in gerader Linie unter dem Rhein hindurch. Zum Beispiel ein Fuchsbach-Rhinsberg-Tunnel mit der Rheinquerung hinter Tössriedern, ein Tunnel durch den Laubberg auf die Autobahn bei Glattfelden: Die Vorschläge zeigen, dass die Umfahrung nicht unmöglich ist. Sie zeigen, dass die Rafzerfelder Bevölkerung konstruktiv mitarbeiten will, dass die Betroffenheit gross ist. Die kantonale Verkehrsplanung könnte froh um solche Ideen sein.
Wenn der Regierungsrat einen neuen Richtplaneintrag vorschlägt, werden wir wieder eine Motion einreichen, die ein konkretes Projekt verlangt. Aber erst dann. Bis es soweit ist, erwarten wir, dass für die heutige Linienführung etwas mit Potential geplant wird. Der Fehler, ein Geschäft als erledigt abzuschreiben, das noch nicht erledigt ist, begeht der Kantonsrat nicht mehr.
Alle Leserinnen und Leser können den Prozess unterstützen: Denken Sie in, aber streiten Sie nicht um Varianten. Dass wir eine Umfahrung haben ist viel wichtiger, als wo und wie sie genau verläuft. Wir könnten mit Mehrheiten im Prinzip auch gegen den Willen der Regierung ein Projekt zur Volksabstimmung bringen, wir scheitern aber sicher, falls wir keine Mehrheit finden. Zuerst im Kantonsrat, dann in der Bevölkerung. Ob wir uns einig sind, ist ein wichtiges Zeichen. Ob wir engagiert sind, ist ebenfalls ein wichtiges Zeichen. Engagement können Sie beweisen mit einem Beitritt zum Verein Umfahrung Eglisau.
Trotz allem: Seit der Volksabstimmung von 1985 waren wir der Umfahrung noch nie so nah wie heute.
M. Hauser (Rede vom 10. Februar 2014, leicht modifiziert)
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