Abgesehen davon, dass es ganz grundsätzlich stossend ist, dass der Staat das Verhalten seiner Bürger lenken will, entsteht durch das neue Verkehrsabgabegesetz (kantonale Volksabstimmung vom 17. Juni) vor allem zusätzliche Bürokratie, welche die Wirkung hat, dass Familien und Gewerbe benachteiligt werden und dass ungerechterweise Viel- und Kleinautofahrer belohnt werden. Letztlich steht zudem weniger Geld pro benötigten Strassenkilometer zur Verfügung. Doch der Reihe nach:
- Opel Zafira 330 Franken
- Audi A4 558 Franken
- BMW X5 785 Franken
- Smart Coupé 200 Franken
So nimmt der Kanton Zürich jährlich 300 Millionen Franken ein. Diese fliessen in den Strassenfonds und sind somit zweckgebunden für den Bau und den Unterhalt von Staatsstrassen (Hauptstrassen), Rad- und Fusswegen. Die Autofahrer zahlen ihre Strassen selbst – und finanzieren Velo und Fussweg gerade mit.
Im Rahmen der Klimadiskussion kam es zur Überweisung parlamentarischer Vorstösse im Kantonsrat, die verlangen, dass die Verkehrsabgabe für Strassen „verursachergerechter“ erhoben werden müsse.
Die Regierung hat deshalb für die Verkehrsabgabe eine neue Bemessung vorgeschlagen. Nach der Beratung durch die zuständige kantonsrätliche Kommission und nachdem die Vorlage im Frühling 2011 vom gesamten Kantonsrat zurückgewiesen wurde, fand schliesslich diejenige Variante, über die wir am 17. Juni abstimmen, eine knappe Mehrheit: 80 zu 76 Stimmen (SVP, EDU, einige FDP). Die SVP und die EDU ergriffen das Behördenreferendum. Auch ACS, TCS und der Gewerbeverband empfehlen nein.
Neue Gewichtsabgabe
Nach dem neuen Gesetz soll es nicht mehr nur eine Hubraumabgabe geben, sondern eine zweite Abgabe, die mit zunehmenden Gewicht steigt. Für Personenwagen werden dann diese zwei Abgaben zusammengezählt. Also je mehr Hubraum und je mehr Gewicht, desto teurer. Bei Lastwagen soll der Hubraum hingegen keine Rolle spielen. Für sie zählen das Gewicht und die Abgaskategorie zur Bemessung der Verkehrsabgabe. Das Gewicht wiederum spielt bei Motorrädern keine Rolle, dort sollen Hubraum und Abgaskategorie massgebend werden. Bei Anhängern wird eine Abgabe fällig, die mit zunehmendem Gewicht steigt. Ausnahme: Für landwirtschaftliche Motorfahrzeuge darf die Verkehrsabgabe höchstens 200 Franken betragen und für deren Anhänger wird sie nicht erhoben. Neu ist auch: Bei zunehmendem Gewicht, Hubraum oder Abgaskategorie steigen die Abgaben nicht mehr linear wie heute, sondern überproportional.
Man sieht auf einen Blick: Das Ganze wird erheblich komplizierter als bisher, wo bei Personenwagen lediglich der Hubraum eine Rolle spielte. Erst recht verkompliziert wird die Verkehrsabgabe künftig aber dank dem vorgesehenen Rabattsystem: Mit diesem werden heute 20‘000 von insgesamt 700‘000 Autos im Kanton begünstigt.
Und so funktioniert es:
Der Bund weist schon heute jedem Auto eine Energieetikette zu, A bis G. A ist besonders energieeffizient und umweltfreundlich, G das Gegenteil. Hier können Sie die Energieetikette ihres Autos ermitteln (Link).
Gehört ihr Auto zur Kategorie A erhalten sie 80% Rabatt von der Verkehrsabgabe, mit dem Etikett B 50% Rabatt – aber immer nur für vier Jahre nach der ersten Inverkehrssetzung und nur falls sie nicht über 130g CO2 je km ausstossen. Die anderen Fahrzeuge mit den Etiketten C bis G erhalten keinen Rabatt.
Weil es noch keine Bundes-Energieetikette für Lieferwagen gibt, wird bis zur Einführung einer solchen allen Lieferwagen einen Rabatt gewährt. Und zwar 50% in den ersten vier Jahren nach Verkehrssetzung, sofern sie den neusten Emissionscode haben, überwiegend gewerbsmässig verwendet werden und höchstens 250g CO2 je km ausstossen.
Wegen diesen Rabatten nimmt der Kanton laut Regierung in den ersten Jahren mit dem neuen Verkehrsabgabegesetz weniger ein. Und zwar 5 Prozent von den 300 Mio. Franken, also rund 15 Mio. Franken Mindereinnahmen für den Strassenfonds werden geschätzt. In der Abstimmungszeitung steht, dass sich die Regierung durch die zunehmende Anzahl Fahrzeuge einen Kompensation dieses Verlustes erhofft.
Sie sehen nur schon an dieser Überlegung, dass die Vorlage nicht durchdacht ist:
- Werden bei einer zunehmenden Anzahl Fahrzeuge auch mehr Strassen gebraucht oder müssen unterhalten werden, dass heisst, gleich viel Geld im Strassenfonds wie heute ist eben nicht gleich viel, sondern weniger pro Strassenkilometer und Strassennutzer. Das Bedürfnis nach Verkehrswegen wird schlechter abgedeckt.
- Steht immer weniger Geld für Strassen zur Verfügung, wenn die Autos umweltfreundlicher werden. Dabei sind gerade die umweltfreundlichsten Fahrzeuge (Rennvelos, Twikes, Smarts mit ihren kleinen Rädern) besonders auf gut gepflegte Strassen angewiesen – nicht die Offroader, die sie bezahlen.
Weshalb sonst noch bin ich gegen diese Vorlage:
Lenkungsabgaben
- Die neue Verkehrsabgabe lenkt die Konsumenten beim Autokauf nicht nur Richtung kleinere umweltfreundlichere Autos, sondern auch dahingehend, dass man nach vier Jahren wieder ein Neues kauft, damit man den Rabatt behält.
- Die neue Verkehrsabgabe lenkt den CO2-Ausstoss gar nicht: Sie bezahlen sie auch, wenn ihr Auto fast das ganze Jahr in der Garage steht. Oder sie bezahlen als Rentnerin und Rentner, der selten fährt, gleich viel wie junge Vielfahrer, obwohl sie insgesamt sogar weniger CO2 ausstossen.
- Es gibt bereits andere Lenkungsabgaben auf Bundesebene: Klimarappen, Mineralölsteuer und Mineralölsteuerzuschlag, LSVA, neues CO2-Gesetz mit der CO2-Abgabe auf Treibstoffen. Irgendwann ist genug.
Die Strassenverkehrsabgabe, eine Abgabe für die Nutzung der Strassen und ihren Unterhalt, wird mit dieser Vorlage in eine Lenkungsabgabe umgewandelt, welche die falschen trifft und daher schlecht lenkt und ungerecht ist.
Benachteiligung von Familien und Gewerbe
Familien sind auf grosse Fahrzeuge angewiesen.
- Der erwähnte Opel Zafira kostet neu 418 statt 330 Franken
- Der BMW X5 1’358 statt 785 Franken.
Die vier Jahre Rabatt, die einem Gewerbe gewährt werden, wenn es ein neues Fahrzeug benötigt, sind eine Farce. Gewerbliche Nutzung ist langfristiger angelegt.
- Mercedes Sprinter oder Fiat Ducato mit 3.5 Tonnen Gesamtgewicht kostet neu 1’100 statt wie bisher 430 Franken.
Das ist viel teurer als in umliegenden Kantonen (Aargau und Thurgau je CHF 336.–). Wir benachteiligen unser Zürcher Gewerbe. Auch der Freizeitverkehr, der relativ wenige Kilometer macht, zahlt viel: Wohnmobile, Wohnwagen, Bootsanhänger, Pferdeanhänger. Ist das gerecht?
Profitieren tun im Gegenzug solche, die kleine, leichte, unsichere Autos fahren, und wer sich alle vier Jahre ein neues Auto leisten kann, zum Beispiel Kurierdienste. Die neue Verkehrsabgabe ist eine Lenkungsabgabe, bei der die Vielfahrer profitieren.
Lastwagen zahlen mit der LSVA schon zu hohe Lenkungsabgaben. Manch ein Transportunternehmer kämpft um seine Existenz, gerade ein solcher kann sich nicht sofort die verkehrsabgabenärmste Flotte leisten.
Weil man Güter zwischen Bülach und Dielsdorf nicht auf die Bahn verladen kann, werden die Kosten, wie schon bei der LSVA, auf die transportierten Produkte überwälzt. Damit wird die Teuerung angetrieben, volkswirtschaftlich gesehen zerfällt die Wirkung der Lenkungsabgabe langfristig.
Bürokratie
Mein letztes Argument ist die Bürokratie. Heute zählt der Hubraum. Neu je nachdem Gewicht und/oder Hubraum und/oder Abgaskategorie. Zudem müssen Rabatte berechnet und Fahrzeuge auf Rabattberechtigungen überprüft werden. Das ist Mehrarbeit für die Strassenverkehrsämter.
Weiter müssen Gewerbler ihren Abgaberabatt aktiv beantragen und nachweisen. Das ist Mehrarbeit für Gewerbetreibende und kostet sicher auch irgendwelche Gebühren.
Fazit
Die neue Verkehrsabgabe soll mittels Rabatt bei besonderer Umweltfreundlichkeit und überproportionalen Abgaben bei hohem Gewicht und Hubraum die Gesellschaft lenken, hin zu umweltfreundlicheren Autos.
Abgesehen davon, dass es ganz grundsätzlich stossend ist, dass der Staat das Verhalten seiner Bürger lenken will, entsteht vor allem zusätzliche Bürokratie, welche die Wirkung hat, dass Familien und Gewerbe benachteiligt werden und dass ungerechterweise Viel- und Kleinautofahrer belohnt werden. Letztlich steht zudem weniger Geld pro benötigten Strassenkilometer zur Verfügung.
Nein zum neuen Verkehrsabgabegesetz!