Ohne Massnahmen geht die AHV pleite. Die Volksinitiative «AHV plus» der Gewerkschaften (Abstimmung vom 25. September) verschärft die Problematik.
Die Idee hinter der AHV ist sozial und war ursprünglich elegant: Prozentuale Lohnabzüge der Arbeitenden finanzieren direkt die Renten der Pensionierten, wobei die Maximalrente von CHF 2’350.— dafür sorgt, dass Gutverdienende mehr zahlen, ohne mehr zu erhalten. Der Bund überliess die Alkohol- und Tabaksteuer der AHV, sinnigerweise jene Einnahmen, die er dank gesundheitsschädigendem Verhalten der Versicherten hat. Dazu der AHV-Ausgleichsfonds, der zur Zeit rund 44 Milliarden Franken enthält, und dann angezapft wird, wenn die direkte Umlage von Lohnabzügen in Renten nicht aufgeht. 2014 war dies erstmals der Fall: Die AHV hat 320 Millionen Franken mehr Renten ausbezahlt, als sie Einnahmen hatte.
Schuld daran sind die früher höhere Anzahl von Geburten und die zunehmende Lebenserwartung. Bei der AHV-Gründung, 1948, finanzierten 6.5 Arbeitsplätze eine Rente, 2007 waren es 3.7 und 2035 sind es pro Rente zwei Arbeitende. Diese Entwicklung war vorhersehbar, deshalb wurde die AHV bereits zehn Mal reformiert; wären dabei keine zusätzlichen Einnahmen bestimmt worden (Erhöhung des Bundesbeitrages durch allgemeine Steuermittel auf 19.6 Prozent der AHV-Ausgaben, 0.83 Mehrwertsteuerprozent, Spielbankenerträge), wäre die AHV bereits heute nicht fähig, alle Renten zu bezahlen. Das wäre sie auch nicht ohne das Wirtschaftswachstum, welches das Lohnniveau stets erhöht hatte. Die elfte Reform scheiterte und geht es weiter wie heute, ist der AHV-Ausgleichsfonds 2030 aufgebraucht, auch, natürlich, weil derzeit sichere Geldanlagen kaum Ertrag abwerfen.
Die AHV-Renten um 10 Prozent zu erhöhen, wie es die Initiative «AHV plus» der Gewerkschaften will, bedeutet ein grösseres jährliches Defizit, das den Ausgleichsfonds schneller aufbraucht. Ärmeren Rentenbezügern wird damit nicht einmal geholfen, denn ein Anstieg der Renten führt für sie zu entsprechend tieferen Ergänzungsleistungen. Bitte stimmen Sie «Nein».
Aber wie lösen wir das Problem der AHV?
Der Bundesrat will sie mit dem Paket «Altersvorsorge 2020» retten, gemeinsam mit den Pensionskassen: Denn auch deren Vermögen entwickeln sich heute zu gering, um später die versprochenen Renten decken zu können.
Das Paket sieht neben kleinen Pflästerli zwei gewichtige Massnahmen vor:
Infolge der gestiegenen Lebenserwartung wird das Rentenalter von Mann und Frau endlich bei 65 Jahren gleichgestellt, der Eintritt wird flexibler. Richtige Richtung, doch diese geringe Erhöhung des AHV-Alters ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Eine effektivere Massnahme ist wieder einmal einnahmeseitig vorgesehen: Die Mehrwertsteuer soll um weitere 1.5 Prozent für die AHV erhöht werden. Den Alltag verteuern, damit weiterhin gleiche Renten bezahlt werden können, um den verteuerten Alltag zu bewältigen? Damit wird der Pleiteweg der AHV verzögert, nicht aber die Altersvorsorge gerettet! Und die ursprünglichen Eleganz der AHV geht noch mehr verloren: Renten werden statt durch Wertschöpfung an Arbeitsplätzen zunehmend durch Konsumbesteuerung finanziert.
Die AHV wäre zusammen mit Pensionskassen und privater Vorsorge ein ausgewogenes System. Doch jede mögliche Vorsorge funktioniert langfristig halt nur dann, wenn die Wirtschaft die Erträge generiert, aus welchen heute die AHV und morgen die Pensionskassen Renten bezahlen. Dazu braucht es möglichst viele Arbeitsplätze, deren Wertschöpfung so hoch ist, dass sie gut entlohnt werden können. Wertschöpfung ist auch Voraussetzung, damit investiert wird und Zinsen steigen: Dann jubeln Pensionskassenvermögen und der AHV-Ausgleichsfonds. Mit Wirtschaftswachstum, nicht mit Gebastel an Sozialwerken sichern wird die Altersvorsorge.
Gelingt dies nicht, gibt es kein Wundermittel. Es passiert, was in vielen Ländern Tatsache ist: Die private Altersvorsorge (Familie, Liegenschaften, Erspartes, bei uns auch die dritte Säule) wird wichtiger und es wird mehr Arme geben.
Matthias Hauser