Ecke des Kantonsrates, 16. November 2012, Zürcher Bote
Es folgt ein Bericht über das Absenzenwesen und die Ehrlichkeit gegenüber Lehrbetrieben, über die Bürokratie im Schulalltag und das Glaubwürdigkeitsproblem der Uni-Leitung. Und über ein Detail zum Kindergarten.
CVP: Versteckis vor den Lehrbetrieben
In der Schule wird zwischen entschuldigten und unentschuldigten Absenzen unterschieden. Sie zeigen, mit welcher Anzahl Schultage Leistungen erzielt werden, wie oft jemand fehlt, und ob es Jugendlichen gelingt, Entschuldigungen zu organisieren. Das sind Anhaltspunkte für künftige Lehrbetriebe und deshalb werden Absenzen ins Zeugnis eingetragen.
Heute wird ein Drittel aller Lehren wird vor Abschluss abgebrochen. Weder die Stifte und schon gar nicht die Lehrbetriebe wollen Lehrabbrüche. Deshalb gehören von Anfang an alle Fakten auf den Tisch: Damit man bereits im Bewerbungsgespräch über die Absenzen spricht. Auch wenn jemand wegen den Absenzen einen Nachteil bei der Lehrstellensuche hat. Denn ja, so ist das Leben. Wer häufig in der Schule fehlt, auch wenn es entschuldigt ist, hat einen Nachteil gegenüber Konkurrenten, die nicht fehlen. Die Schule ist kein Spiel: Dinge haben Konsequenzen. Besser man lernt dies nicht erst mit einem Lehrabbruch.
Ausgerechnet eine Parlamentarische Initiative der CVP wollte nun aber, dass entschuldigte Absenzen nicht mehr im Zeugnis ersichtlich sein sollten. Dabei gibt es ein Problem: Praktisch alle Absenzen sind entschuldigt: Den Elternunterschriften vertrauen wir. Die CVP will mit Lehrbetrieben Versteckis spielen, statt eine Schule, die auf das Leben vorbereitet. Gottlob wurde das Ansinnen abgelehnt.
Misstrauensbürokratie
Nochmals zur CVP: Die Schule „Spitz“ in Kloten, wo CVP-Kantonsrätin Corinne Thomet als Schulpräsidentin waltet, hat ein beeindruckend kurzes Schulprogramm, eine A4-Seite für vier Jahre. Das ist gut verglichen mit den meisten anderen Schulen, die mit mehrere Seiten Schulprogramm pro Jahr aufwarten. Auch die Sätze im Spitz-Programm sind kurz. Etwa: „Laufende Überprüfung und Anpassung des Förderzentrums und der Abläufe“, oder, für 2012 zum Stellwerk-Test: „Erstevaluation“. Trotzdem: Dieses Papier und seine Formulierung braucht es im Schullalltag nicht! Es gehört zum Lehrberuf, die Erreichung der Ziele (stehen im Lehrplan, nicht im Schulprogramm) stets anzustreben und folglich das tägliche Handeln immer dem Umfeld anzupassen. Schule entwickelte sich so automatisch. Wer dazu ein Schulprogramm benötigt, traut den Lehrkräften nicht und schafft Bürokratie. Diese kommt zum Beispiel in Form von BDP-Kantonsrat Stefan Hunger daher: Er hat sich zum Beruf gemacht, die Schulen bei der Formulierung von Schulprogrammen zu beraten. Leider haben nur SVP und EDU “meine“ Parlamentarische Initiative zur Abschaffung dieses Unsinns unterstützt.
Nicht mehr unsere Uni!
Der Arbeitgeber von Staatsangestellten ist der Bürger, und der hat verschiedene Meinungen! Deswegen dürfen Staatsangestellte Entwicklungen hinterfragen und sich äussern, sie sind selbst auch Bürger – ganz besonders, wenn sie als Politiker in diese Rolle gewählt wurden. Kein Blatt vor den Mund genommen hat Christoph Mörgeli, als er zum Beispiel über die vielen ausländischen Lehrstuhlinhaber an unseren Universitäten schrieb. Die Folgen sind bekannt: Nichtigkeiten und Unwahrheiten über seine Arbeit wurden aufgeblasen und ausposaunt, Vorlesungen abgewürgt, Anhörungen verweigert, Berichte verlangt, die andere nicht leisten müssen. Man nennt das Mobbing durch Vorgesetze, natürlich alles Reglementskonform. Alle, welche die genaue Abfolge der Ereignisse in der Weltwoche gelesen haben oder Mörgeli direkt befragt haben, erkennen das. Deshalb hat die Universitätsleitung ein Glaubwürdigkeitsproblem: Sie deckt Mobbing statt durch Zulassung von Meinungsvielfalt (durchaus auch darüber, wie ein Museum auszurichten ist) dem Milizsystem den Rücken zu stärken. Die Alma Mater hat zur Zeit wie nie zuvor den Ruf, Parteilichkeit vor Kompetenz zu stellen. Sie mag so noch der Betrieb von Bildungsdirektorin Aeppli, dem Unirat und Rektor Fischer sein, aber nicht mehr derjenige des Zürcher Volkes!
Leider ist Mitte-Links nicht bereit, die Angelegenheit ordentlich zu untersuchen: In der zuständigen Aufsichtskommission des Kantonsrates wurden Rektor Fischer und Bildungsdirektorin Aeppli angehört. Auf Mörgeli verzichtete man. Es ist verständlich, dass nach all dem meinem Sitznachbar Kantonsrat Hanspeter Amrein der Kragen platzte, als der Jahresbericht der Universität abgenommen wurde! Lesen Sie sein Votum auf http://www.hpamrein.ch/aktuell.html
Grundstufe zur Trauma-Bewältigung
Nach der Uni zum Kindergarten: Beim Smalltalk vor einem Streitgespräch zur Primainitiative mit der grünen Fraktionspräsidentin Esther Guyer erfuhr ich Interessantes. Zuerst was ich schon wusste: Guyer hat die Grundstufe erfunden. Neue Info: Sie war nie Kindergartenkind. Im Weiler, wo sie wohnte, gab es keinen. Und so kam sie direkt in die erste Klasse. «Ich konnte dann aber schon lesen und schreiben.“ meinte sie. Heute will Guyer den Chindsgi, in den sie selbst nie durfte, für alle anderen auch abschaffen. Das nennt man Trauma-Bewältigung. Und noch eine neue Info: Esher Guyer liest den Zürcher Boten.