Wir erinnern uns, dass der Kantonsrat 2016 nicht auf das neue Musikschulgesetz eingetreten ist. Seither wehklagen die Musikschulen, insbesondere das Konservatorium Winterthur, darüber. Am 26. Mai zum Beispiel im Landboten. Logisch, denn für sie hatte der Entscheid des Kantonsrates finanzielle Folgen: Mit dem Gesetzesentwurf haben die Musikschulen die hohle Hand gemacht – mit dem Nichteintreten hat der Kantonsrat diese Hand nicht gefüllt.
Doch dafür gab es gute Gründe:
- Die Grundausbildung in Musik und vor allem an einem Instrument (Instrumentalunterricht) bleibt Sache der Eltern und der (Schul-)Gemeinden. Das war immer schon so und ändert nicht: Die Gemeinden sind einer Musikschule angeschlossen, oft sind die Musikschulen ein Zweckverband. Die Elternbeiträge für Lektionen an einem Instrument sind daher nur halb so hoch, wie sie es ohne Gemeinden wären.
- Die Berufsausbildung Musik (Ausbildung zum Künstler oder zur Musiklehrperson) war und bleibt hingegen Sache des Kantons. Doch sie wechselte von den Konvervatorien Zürich und Winterthur an die Zürcher Fachhochschule, die Hochschule der Künste. Diese wird vom Kanton praktisch voll finanziert. Das Volk hat dem Fachhochschulgesetz zugestimmt. => Das Musikschulgesetz hätte die Aufgabenteilung von Kanton und Gemeinde verkompliziert.
- Da das Konservatrioum Winterthur sich ohne Berufsausbildung umstellen muss und zu einer „normalen“ Musikschule, wie sie andere Gemeinden auch haben, wird, gewährte der Kanton Zürich ihm während drei Jahren hohe Übergangsbeiträge (900’000, 825’000, 750’000 CHF), damit es sich organisieren kann. In anderen Bezirken, andere Musikschulen erhielten keine vergleichbaren Zuschüsse.
- Statt sich z.B. vom reichhaltigen Liegenschaftenbestand zu trennen (die meisten Musikschulen im Kanton haben keine eigenen Villen, sondern erhalten in Schulhäusern und von Kirchgemeinden unentgeltlich Musikräume), hat das Konservatorium auf das neue Musikschulgesetz gehofft. Dieses hätte im ganzen Kanton dafür gesorgt, dass der Kanton analog der Volksschulen 20% der Grundausbildung in Musik, inklusive dem Instrumentalunterricht, subventioniert.
- Mit dem Musikschulgesetz wären die Musikschulen «wie Volksschulen» geworden, sie wären die einzigen, die anerkannte Ausbildungen anbieten hätten können. Zum Beispiel im Gegensatz zu Musikvereinen oder privaten Musiklehrpersonen (z.B. Künstler, die sich ein Zubrot durch Lektionen verdienen): Die Bürgerlichen im Kantonsrat wollten diese Verstaatlichung nicht!
Der „staatliche“ Musikunterricht ist in der Volksschule integriert (genau so übrigens auch bei darstellenden Künsten oder dem Sport). Wieso für die Kunstform der Musik gegenüber allen anderen Kustformen eine Sonderrolle? Also bleibt die Musik-Grundausbildung Sache der Gemeinden (bereits das ist ja eine Sonderrolle gegenüber anderen Künsten) und der Privaten. Es war voraussehbar, dass es ein solches Musikschulgesetz, welches den Musikschulen eine derartige Sonderstellung eingerräumt hätte, es im Kantonsrat schwer haben würde! - Vor diesem Hintergrund ist auch die neue Volksinitiative für ein Musikschulgesetz, welche von vielen Musikschulen unterstützt wird, unverständlich. Musikschulen reklamieren für sich offenbar weiterhin eine finanzielle Sonderrolle, nicht nur bei Gemeinden, sondern auch auf Kantonsebene. Wenn das jeder tun würde?
Politisch wird es vor diesem Hintergrund hoffentlich auch die Zweitausgabe des Musikschulgesetzes schwer haben.
Pingback: Eigennutz ist Hauptmotiv der Musiklehrpersonen – Matthias Hauser